Im Schatten des Ringes
hat“, sagte ich vorsichtig, „aber Prinz Chel hat beschlossen, über alles hinwegzuschauen, solange ihm nichts zustieß. Alle wären ums Leben gekommen, wenn Mussa nicht in der Lage gewesen wäre, sie zur Küste zurückzuführen, nachdem der Sturm das Boot in die Untiefen gedrückt hatte.“ Ich schüttelte den Kopf. Chels erste Expedition war schon vor ihrem Start zum Scheitern verurteilt gewesen. Ich betete darum, daß die zweite nicht unter einem solchen ungünstigen Stern stehen sollte.
„Ich wiederhole, der Prinz ist kein großzügiger Mann. Er behandelt seine Sklaven schlecht.“
„Ich denke, Prinz Chels Abneigung gegen Sklaven ist bestens bekannt“, sagte ich. „Aber er ist auch ein brillanter Stratege. Er weiß, daß er mich für seine Expedition braucht. Wie anders sollte er mich für sich gewinnen, als die Karriere meiner Tochter zu fördern?“
„ Indem er Eure Karriere beschleunigt „, erwiderte Teon“ »oder zumindest Euch in einer Situation unterstützt, in der Ihr seine Hilfe braucht.“
Ich schüttelte den Kopf und zupfte Semas Krallen aus meiner Brust. Der geizige Teon hatte die Handschuhe abgeschnitten, so daß die Kleine, wenn sie aus dem Kleidungsstück herauswuchs, dieses immer noch verwenden konnte. Er lächelte entschuldigend, als er mir ein Tuch reichte, das ich unter ihre zugreifenden Krallen legen könnte. „Chels Strategie ist einleuchtend. Er kann sich nicht leisten, es mit Tarana zu verderben, indem er mir offene Unterstützung gewährt. Aber ich zähle auf ihn, daß er für mich einen akzeptablen Kompromiß erarbeitet.“ Ich lächelte triumphierend. „Er muß Erfolg haben, wenn er seine Expedition durchführen will.“
„Ihr setzt eine Menge Vertrauen in Prinz Chel.“
Ich berührte Teons Hand. „Ich bin gegenüber den Fehlern meines lebenslangen Freundes nicht blind“, erklärte ich. „Aber wenn er seine eigenen Interessen nicht weiterverfolgen kann, ohne gleichzeitig auch meine Interessen zu unterstützen, vertraue ich ihm voll und ganz.“
Teon seufzte und gab sich meiner Logik geschlagen. „Wenn Ihr ihm auch heute vertraut, daß er Mussa herschickt“ – er schaute mich fragend an, und ich nickte – „dann können wir Baltsars Verletztheit lindern. Ich dachte, eine Heimkehrfeier für das Mädchen müßte …“
„Wundervoll!“ rief ich aus, als ich seine Idee erkannte. Wir hatten Mussa seit ihrer Rückkehr von jener beinahe tragisch verlaufenen Expedition nicht mehr gesehen. „Aber haben wir denn noch genügend Zeit, Honigkuchen zu backen? Diese mag Baltsar nämlich ganz besonders gern.“
„Wir werden sie zubereiten“, versicherte Teon mir, als er aufstand. „Überlaßt das alles mir.“
Ich nickte und kuschelte mich in die weichen Polster. Ein Sklave wie Teon war ein Luxus, den der Rest der Welt nicht genießen konnte, aber ich hätte sie gerne an unserem hübschen, friedlichen Haushalt teilhaben lassen, wenn sie es nur gewollt hätte. Wer außer Teon, Sklave, Gefährte und Freund, hätte gewußt, daß meine größte Sorge allein Baltsar galt? Und wer außer ihm hätte sich mit mir verbündet, um meinem Helfer-im-Leben eine Freude zu machen. Ich legte Sema an die andere Brust an und nickte ein. Ich hörte im Halbschlaf die Sklaven in der geräumigen Kammer umhereilen, und ich spürte auch, als Teon mir die schlafende Sema aus dem Arm nahm und sie in ihre Wiege zurücklegte. Ich murmelte ein Dankeschön, als Teon mich mit einem daunengefüllten Bezug zudeckte, und ich wurde Zeuge von Baltsars Rückkehr, und ich schlief weiter und überließ es Teon, ihm von den Botschaften unserer Bekannten zu berichten. Der Sklave muß wohl die richtigen Worte gefunden haben, denn kein Laut des Zorns störte meinen Frieden.
15
Gerne hätte ich weitergeträumt; die Phantasien des Schlafs waren viel angenehmer als die Wirklichkeit. Doch irgendwann spürte ich Baltsars Hand auf meinem Leib.
„Du kannst jetzt aufwachen“, meinte er. „Mussa wird bald hier sein.“
Ich richtete mich auf. Baltsar trug ein weißes Gewand, das mit himmelsgrauem Spinnengarn bestickt war und zu seinem dunklen Pelz einen angenehmen Kontrast bildete. Das Zucken seines Schwanzes wollte jedoch nicht ganz zu diesem Schmuck passen. Ich berührte seine Hände. „Es tut mir leid, Baltsar. Ich hätte niemals gedacht, daß deine Freunde dich wegen mir im Stich lassen würden. Aber nach der heutigen Nacht werden die Dinge in Fluß geraten, und einiges wird sich sehr schnell ändern.
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