Im Schatten des Ringes
sie meine Brust nicht wollte, und ich mußte mit ihr herumschmusen und sie necken, bis ihre Wut endlich ihrem Hunger wich und sie zu saugen begann. Dann faßte ich die mir am nächsten stehende Sklavin ins Auge – es war diejenige, die das Moos aus Semas Wiege am Feuer getrocknet hatte. „Warum bereitet ihr nicht das Fest vor?“ wollte ich wissen.
Sie wandte sich um. Es war eine von den Schwarzäugigen, deren Blicke einen unter gewissen Umständen völlig aus der Fassung bringen können. Beim Klang meiner Stimme öffneten sich ihre Augenlider ganz weit und entblößten sehr viel Weiß um die runden Iris. Sie erschien einfältig, obwohl ich wußte, daß sie wohl nur eingeschüchtert war. Ich bedauerte es, sie erschreckt zu haben. „Hol Teon her“, befahl ich ihr nun etwas sanfter. Sie wandte sich um und lief davon. Soviel zu dem hartnäckigen Glauben, daß die meisten Sklaven nicht schlau genug sind, unsere Befehle ohne einen Translator zu verstehen. Kurz darauf kam Teon herein. Ehe ich von ihm eine Erklärung für das seltsame Verhalten der Sklavinnen fordern konnte und dafür, daß keine Vorbereitungen für das nächtliche Fest getroffen wurden, hielt er mir einige Nachrichtenrollen hin.
„Dies alles sind Absagen von Baltsars Kollegen“, sagte er. „Ihr und Baltsar werden allein speisen.“
Normalerweise war es schwer, ärgerlich zu werden, während Sema an meiner Brust saugte und sich tief in meinem Leib das daraus resultierende ziehende Gefühl breitmachte, trotzdem geriet ich in schreckliche Wut. Ich schleuderte die Rollen von mir, ließ sie gegen den Herd klappern und schrie ein übles Wort. Teon wollte mich besänftigen, doch ich stieß seine Hand heftig beiseite. „Baltsar hat mit meinen Aktivitäten nicht das geringste zu tun. Er ist mein Helfer, nicht mein Elter oder Meister. Die sind ja verrückt.“
„Wer auf dieser Welt hat mehr Macht über ein menschliches Wesen – König oder Helfer?“ fragte Teon. Er zitierte aus dem Buch der Klarheit, und ich fragte mich, welche Art perverser Inspiration mich dazu verleitet hatte, ihm das Lesen beizubringen.
„Keiner“, sagte ich bitter. „Nicht in dieser Angelegenheit.“
Teon schaute mich zweifelnd an. „Dann wollt Ihr nicht zurückstecken, selbst wenn Baltsar Euch bittet?“
„Nein“, entgegnete ich ohne zu zögern. „Abgesehen davon würde Baltsar mich niemals um so etwas bitten.“
Teon schien beruhigt zu sein. Er ließ sich neben mir nieder, seine nachdenklichen Augen betrachteten mich, und seine faltigen Hautfinger massierten sein Kinn. „Aber er wird darüber bestimmt nicht erfreut sein.“ Er wies auf die verstreuten Rollen.
„Er wird verletzt, ängstlich oder wütend sein“, meinte ich unglücklich.
„Welches wohl?“
Ich dachte kurz nach, dann antwortete ich: „Vorwiegend wird er wohl verletzt sein.“
Teon nickte. „Ich denke ebenso. Und ich glaube, wir können seinen Schmerz lindern. Mussa sollte doch heute an dem Fest teilnehmen, nicht wahr?“
„Ja.“ Chel hatte Mussa gestattet, an seiner Stelle zuzusagen, da er an diesem Tag vor der Versammlung Akadems erscheinen wollte. Unser ältestes Kind hatte Prinz Chel schon als Helferin zur Seite gestanden, ehe die schreckliche Flut im vergangenen Jahr seinen Steinbruch überflutete, und sie hatte Chel nicht um ihre Entlassung gebeten, wie viele andere Helferinnen es gemacht hatten, als nicht mehr soviel für Luxus ausgegeben wurde. Mussas Loyalität machte mich stolz, denn als sie noch zu Hause lebte, war sie nie sonderlich ernsthaft gewesen. Ich glaube, Baltsar und ich haben sie die ganze Zeit zu sehr verwöhnt.
Teon lächelte schief. „Seltsam, nicht wahr?“ meinte er. „Prinz Chel ist kein dankbarer Mensch. Eine Einladung auszuschlagen, hätte zu ihm gepaßt, statt dessen schickt er eine Stellvertreterin, die seine … hm … Ablehnung wieder abmildert. Das ist sehr großzügig.“ Teon schaute mich aus unschuldigen grauen Augen an.
Ich legte meine Ohren zurück und fragte mich, wieviel Teon wohl über Mussas Fehler wußte. Wahrscheinlich alles, entschied ich. Die Leute vergaßen, daß die Fleischklumpen an den Seiten ihrer Köpfe Ohren waren. Ich überlegte, was er wohl von einem Kind von mir dachte, das dumm genug gewesen war, dem Salzwind und dem Glück zu vertrauen. Ich glaube, selbst die Zwillinge, so jung sie auch waren, wußten es besser. Chel hat an Mussa seine Wut ausgelassen.
„Ich bezweifle nicht, daß dieses launische Kind eine Menge falsch gemacht
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