Im Schatten des Ringes
Durchblick, aber er ist außerdem ein Einsiedler und daher schwierig zu rinden.“
Ich seufzte. „Und ich dachte schon, meine Schönheit hätte dich verzaubert – dabei willst du nur das Ohr meines Meisters. Kaufleute sind wirklich skrupellos.“
„Kann man dich bestechen?“ wollte Baltsar wissen.
„Nein.“
„So erzählt man sich, und ich glaube es“, sagte Baltsar und nahm die kleinste Scheibe Fisch für sich selbst. „Erzähl mir, was du zu sehen erwartest, wenn der Wind erst mal die Wolken vertrieben hat.“
Ich schaute zum Himmel. Über dem Meer war die Wolkendecke dünn genug, so daß man den grauen Himmel darüber erkennen konnte, über mir jedoch war der Himmel noch immer bezogen. „Wenn diese Wolken dort weitergezogen sind oder sich aufgelöst haben, sehe ich natürlich die Himmelsbrücke.“
Baltsar nickte. „Ja, aber warum willst du … warum will dein Meister sie sehen?“ Sein Interesse schien aufrichtig und ehrlich zu sein.
Ich zuckte die Achseln. „Akadem möchte mehr wissen.“
„Was mehr wissen? Die Tempelhüterinnen haben sich nie für die Himmelsbrücke interessiert, bis Rellar die Vermutung äußerte, wir könnten mehr über die Götter erfahren, wenn wir sie eingehender studierten.“
„Warum fragst du mich denn, wenn du sowieso alles weißt?“
„Rellar gibt sich eigentlich mit Religion nicht so oft ab, und ich möchte nur seine wahren Absichten kennen.“
„Ich weiß nur, daß ich das, was ich sehe, auf Pergament aufzeichnen und beschreiben soll – das heißt, wenn ich mehr erkennen kann als nur eine schwarze Linie am Himmel.“
„Außerdem bist du auch noch sehr verschwiegen“, sagte Baltsar. Er lächelte. „Ich habe auch nichts anderes erwartet. Nun, ich muß jetzt gehen. Ich muß noch einige Körbe Fisch zum Markt bringen, und mein Sklave hat sie jetzt fertig.“
Ich blickte zu dem Sklaven hinüber, der darauf wartete, sich die Tragekörbe auf den Rücken zu laden, und ich fragte mich, wie er das zu tun gedachte, denn ich sah mehr Körbe, als er tragen konnte. Kaufleute waren wohl in mehr als einer Weise Wucherer und Ausbeuter. Selbst der breite Rücken eines Sklaven hatte seine Grenzen. Doch Baltsar schulterte selbst einen der Körbe und half dann seinem Sklaven beim Aufladen der schwereren Last. Als er sich überzeugt hatte, daß sie sicher auf dem Rücken seines Helfers ruhte, wandte er sich mir wieder zu.
„Ich bediente mich, als ich zu den Kupferminen reisen mußte, einer Landkarte, die von einer jungen Pfadfinderin namens Heao gezeichnet worden war. Bist du jene Heao?“
„Wenn du die Route durch die Schlucht genommen hast, dann war es meine Karte.“
„Eine sehr gute Karte, Heao, außer daß einige höhere Bergspitzen nicht eingezeichnet waren.“
„Alle ungewöhnlich hohen Berge sind auf meiner Karte vermerkt“, sagte ich spitz.
„Nicht die entfernteren“, meinte Baltsar. Sein Schwanz zuckte wieder, und er lächelte. Warum hatte er meinen bebenden Schwanz während des Essens nicht beachtet? Warum wollte er ausgerechnet jetzt spielen, wo er gleich aufbrechen würde? Oder war seine Verspieltheit eine ungesteuerte Eigenschaft – etwas, das er von Zeit zu Zeit nicht richtig unter Kontrolle halten konnte? Ich dachte einen Moment darüber nach und versuchte mir darüber klarzuwerden, ob ich mich geschmeichelt oder verletzt fühlen sollte. Da ich noch nicht die gesetzlich vorgeschriebene Reife von siebzehn Jahren erreicht hatte, war es möglich, daß er in mir lediglich ein Kind sah und die Schmeicheleien zu seinem ganz persönlichen Spiel gehörten.
„Meine Karten sind genau“, wiederholte ich stur.
„Ja“, pflichtete er mir hastig bei. „Das wollte ich ja auch gar nicht anzweifeln. Aber … hast du jemals daran gedacht, auch die von Sklaven gemachten Beobachtungen in deine Karten einzuarbeiten? Im Tiefland reisen alle Bauern, von den ärmsten vielleicht einmal abgesehen, mit mindestens einem Sklaven, denn diese können viel weiter sehen als das menschliche Auge. Nach Sicht zu reisen ist eine weitaus schnellere Methode, denn der Markierungspunkt liegt meistens weiter enfernt, und man macht nicht so viele Umwege.“
„Du würdest dich dem Orientierungssinn eines Sklaven anvertrauen?“
Baltsar nickte. „Sie sind viel schlauer als Hunde, und wenn man sie anständig behandelt, dann sind sie mindestens ebenso treu. Zudem verfügen sie über gewisse physische Vorzüge, die man sich zunutze machen kann.“
Ich nickte. „Wie zum Beispiel
Weitere Kostenlose Bücher