Im Schatten des Teebaums - Roman
bin«, führte Bob den Satz für ihn zu Ende. »Das verstehe ich. Nachdem ich McBrides Artikel gelesen hatte, habe ich ebenfalls ein paar Tage gebraucht, um es zu begreifen. Ich habe nie geheiratet, deshalb war es ein ziemlicher Schock für mich, als ich erfuhr, dass ich einen erwachsenen Sohn habe. Ich hatte nie darüber nachgedacht und war nicht darauf vorbereitet.«
»Aber Sie haben doch gewusst, dass meine Mutter mit mir schwanger war«, entgegnete Noah. »Das haben Sie selbst gesagt.«
»Ich habe es erst erfahren, nachdem ich weggegangen war, aber zu dem Zeitpunkt hatten Betty und ihr Clan sich bereits auf ihren Walkabout begeben. Dann kam mir das Gerücht zu Ohren, Betty habe einen Sohn zur Welt gebracht, und mir ging der Gedanke durch den Kopf, dass ich der Vater des Jungen sein könnte, aber ich habe es nicht wirklich geglaubt. Ich sagte mir, wenn Betty wüsste, dass ich der Vater ihres Kindes bin, hätte sie mich aufgesucht und um Unterstützung gebeten.«
»Meine Mutter war eine stolze Frau«, sagte Noah.
»Das war sie«, bestätigte Bob, »und ich will mich auch nicht herausreden. Es war falsch von mir, nicht nach ihr zu suchen und ihr zu helfen, dich großzuziehen.«
Noah hegte keinen Groll gegen Bob. Wie könnte er auch, nachdem Bob öffentlich erklärt hatte, Noahs Vater zu sein, womit er ihm das Leben gerettet hatte?
»Ich weiß, dass es ein Schock für dich ist«, sagte Bob. »Aber ich möchte, dass wir uns zusammensetzen und über die Zukunft reden.«
Noah sah ihn verwirrt an. »Die Zukunft?« Er hatte erwartet, dass Bob nach Millicent zurückkehren und ihn vergessen würde. »Ich bin Ihnen dankbar für alles, was Sie für mich getan haben, denn Sie haben mir das Leben gerettet, aber ich erwarte nichts von Ihnen …« Er fand nicht die Worte, Bob zu sagen, dass er nicht von ihm erwartete, sich mit einem unehelichen Aborigine-Sohn abzugeben. Vermutlich rechnete Bob damit, er, Noah, würde ihn um finanzielle Unterstützung bitten, doch Noah dachte gar nicht daran.
»Du bist mein Sohn, Noah. Jetzt, wo wir das wissen, können wir eine Zukunft planen … hoffe ich zumindest. Ich bin zu Tilly Sheehan gegangen, um zu erfahren, ob du etwas dagegen hast, dass bekannt wird, dass ich dein Vater bin, und sie sagte, sie sei sicher, du würdest dich freuen. Ich hoffe, sie hatte recht.«
»Mir fehlen die Worte, Mr. Hanson. Ich habe Sie immer bewundert.«
»Du solltest jetzt nicht mehr Mr. Hanson zu mir sagen, Noah.«
»W ie … soll ich Sie denn anreden?«, fragte Noah schüchtern.
» Dad natürlich«, sagte Bob fröhlich, aber dann sah er Noahs Miene. »Das heißt, nur wenn du willst.«
Noahs Augen verschleierten sich. »Das würde mich sehr freuen, Mr. Hanson. Ich meine …« Er konnte seinem neu gefundenen Vater nicht in die Augen sehen. »Dad.«
Bob lächelte. »Du hast großes Talent, Noah. Deine Gemälde gehören zu den besten, die ich je gesehen habe. Von mir hast du das nicht. Ich kann gerade mal einen Zaun anstreichen.«
Noah errötete vor Freude. »Ich male einfach gern«, sagte er bescheiden.
»Miss Sheehan hat mir erzählt, dass du deine Werke an die Galerie Ward in Mount Gambier verkaufst.«
»Das stimmt«, sagte Noah.
»Und sie hat mir erzählt, dass John Ward dir einen Hungerlohn bezahlt.«
Auf einmal blickte Noah ernüchtert. Er nahm an, dass Bob ihn kritisierte, dass er sich nicht durchsetzte.
»Er wird deine Bilder für viel Geld weiterverkaufen«, sagte Bob. »Ab sofort solltest du nur noch in den größeren Städten verkaufen, Noah.« Bob betrachtete ein Landschaftsbild aus der Nähe. »Mit deinem Talent könntest du ein Vermögen machen.«
»Niemand will mit einem Aborigine-Künstler ins Geschäft kommen«, sagte Noah. Er war sein Leben lang Bürger zweiter Klasse gewesen. Wie sollte jemand, der so erfolgreich war wie Bob Hanson, das verstehen?
Bob aber wusste, wie schlecht die Aborigines behandelt wurden. »Das wird sich jetzt ändern«, sagte er zuversichtlich. »Niemand wird meinen Sohn übers Ohr hauen.«
Noah war überwältigt von Gefühlen, er konnte die Tränen nicht unterdrücken, die ihm in die Augen traten.
Bob blickte ihn an. »W as ist?«, fragte er.
Noah brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln. »Niemand ist je …« Er rang mit den Worten.
»Niemand ist je auf deiner Seite gewesen, stimmt ’ s, mein Sohn?«, sagte Bob teilnahmsvoll.
Noah nickte. »Es tut mir leid«, sagte er verlegen, während er sich die Tränen von den Wangen wischte.
»Du
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