Im Schloss der schlafenden Vampire
wahr?!“
„Nein, überhaupt nicht!“,
schaltete Gaby sich ein. „Kein Stück. Julia sagte nur, dass sie hier mit Ihnen
allein ist. Und natürlich mit den Fledermäusen. Wo ist denn Julia?“
„Schläft sicherlich. Weil sie
nachts soviel rummacht. Weil die Viecher nachts flattern. Du bist also Gaby
Glockner. Dann zeig mal deinen Ausweis! Könnte ja sonst jeder behaupten.“
Gaby war verblüfft, kramte aber
ihren Schülerausweis aus der Umhängetasche und wies sich aus.
Gütiger Himmel!, dachte Tim.
Fängt ja gut an. Der Typ arbeitet daran, dass ihn wirklich keiner mag.
Vielleicht wäre er lieber Türsteher bei ‘ner Disko geworden statt hier zu
versauern.
Vogt gab den Ausweis zurück.
„Na, schön! Du bist angemeldet und Graf Lauchtingen junior aus dritter Ehe
hat’s erlaubt. Dagegen kann ich nichts machen. Aber von euch“, er wandte sich
an die Jungs, „war nicht die Rede. Von euch weiß ich nichts. Deshalb kommt ihr
mir nicht rein. Das ist hier — verdammt noch mal! — keine Jugendherberge. Die
ist drüben im Dorf — gleich neben der Kirche. Zack! Ende!“
„Aber wir beschädigen nichts“,
unternahm Tim einen Versuch, obwohl er wusste, dass es nutzlos war. „Im
Gegenteil! Wir würden Ihnen zur Hand gehen.“
„Keine Diskussion! Ich bin hier
der Hausherr! Der Verwalter! Zack! Ende!“
Er drehte sich um, stampfte ins
Schloss zurück und ließ das Portal handbreit offen. Vermutlich war das die
einladende Geste für Gaby, näherzutreten.
4. Wohin mit
Lena und Tina?
Verflucht! Konrad, der
Ex-Gärtner und derzeitige Autodieb, duckte sich hinters Lenkrad. Der Wagen
stand auf einem superschmalen Waldweg, einer Abzweigung von der Straße zum
Schloss. Rückwärts war Konrad hineingerollt in diesen grünen Schlauch ^ als er
die Vierergruppe gesehen hatte: weit voraus auf der Straße zum Schloss. Drei
Jungs mit Rucksäcken und ein Mädchen mit langem Blondhaar. Nur von hinten hatte
er sie gesehen und auf große Entfernung. Verflucht! Was wollten die? Hier war
doch seit Wochen total tote Hose. Hatten die das Schild am Dorfende nicht
gesehen: Zur Zeit keine Schloss-Besichtigung!!!
Auf keinen Fall durften die
Kids ihn bemerken. Sonst konnte er das Schloss als Versteck vergessen. Klar! —
mit dem Wagen wäre er sofort zur Stadt gebrettert, in die Kfz-Werkstatt seines
Auftraggebers. Dort wurde allerdings nur noch selten repariert. Die beiden
Komplizen vom Fach waren Spezialisten fürs Umfrisieren. Jeder geklaute Wagen
wurde umgespritzt und mit neuen Papieren ausgestattet. Und dann ab gen Osten, wo
die dortige Auto-Schieber-Mafia schon danach gierte.
Konrad wäre in der Werkstatt
gewesen, bevor man die Fahndung nach Heymwachts Touring in die Gänge gebracht
hätte. Klare Sache. Und in Gedanken hatte er das Geld bereits eingestrichen.
Aber nun war alles anders. Nun hatte er zwei kleine Mädchen als unmittelbare
Zeugen auf dem Hals und der Gedanke, aus dem Diebstahl eine Lösegeld-Erpressung
zu machen, nahm feste Formen an. Das Schloss, zur Zeit verwaist, bot sich
geradezu an als Versteck für die beiden. Nur dort! Nirgendwo sonst! Denn mit
den Kindern konnte er unmöglich umher kutschieren.
Aber erst mal musste beim
Schloss die Luft rein sein.
Zweige berührten die
Seitenfenster. Der Waldweg machte eine leichte Kurve. Der Wagen stand so, dass
Konrad die Schloss-Straße gerade noch sah. Er musste warten — warten, bis die
vier Kids geschnallt hatten, dass beim Schloss nichts lief, und zurück sockten.
Er sah in den Innenspiegel.
Lena und Tina lagen noch unter der Decke, waren aber unruhig, zappelten,
flüsterten. Jetzt wurde ein Zipfel angehoben.
„Du...“, Lenas Stimme. „Du! Uns
ist heiß. Können wir rauskommen?“
„Nein!“, herrschte er sie an.
„Ihr bleibt unter der Decke! Verhaltet euch ruhig! Dann ist es nicht heiß.“
„Aber Tina hat Durst! Und ich
auch!“
„Wenn ihr nicht ruhig seid,
lasse ich euch verdursten.“ Keine Antwort. Kaum Bewegung unter der Decke. Tina
schluchzte. Für einen Moment fühlte sich Konrad Vogt wie das letzte Stück
Dreck. Aber dieser Anflug von Selbsteinschätzung verging. Nicht weichwerden!
Kein Mitleid aufkommen lassen! Wer hatte denn Mitleid mit ihm gehabt, als seine
Bandscheiben schlappmachten und er die Friedhofsatmosphäre nicht mehr ertragen
konnte? Niemand. Nein!, dachte er. Jeder ist sich selbst der Nächste.
Eigentlich wollte ich das ja gar nicht so. Außerdem passiert denen nichts. Und
dem Heymwacht fressen doch die Hühner aus der Hand.
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