Im schoenen Monat Mai
sie sich gleichzeitig mit ihren Brüsten zu mir hingebeugt, um sich zu bedanken. Danke, Aimé, aber bitte, sagen Sie doch Paulette zu mir. Die Leute glauben, sie tun dir einen Gefallen, wenn sie sowas sagen, in Wirklichkeit musst du dir dann merken, dass Paulette und die Frau Truchon ein und dieselbe Person sind. Stellt euch mal vor, was man alles für Namen auswendiglernen müsste, wenn jeder einem mit so einem Gefallen kommt!
Immer noch stehend sage ich, Sie würden dem Geist von Monsieur Louis eine große Freude machen, wenn jeder sich vorstellt und erzählt, wie er Monsieur Louis kennengelernt hat. Sacha Milou hat als Erster damit angefangen, aber erst muss ich euch seinen Aufzug von unten bis oben schildern, weil das ist nicht mit Stroh aufzuwiegen, hätte Lucette gesagt. Ich bin nicht gut im Beschreiben, also stellt es euch zum Ausgleich am besten gut vor. Die Schuhe sind aus einem Stoff, dass man gleich das Niesen kriegt. Die Beine rauf kommt als Nächstes eine grünschwarz karierte Hose. Die leidet an derselben Krankheit wie die Kleider von Frau Truchon, und wenn man durch die Beine atmen würde, dann wäre Sacha Milou schon lang erstickt. Das drüber könnte man als Zirkusjacke bezeichnen, vor allem wegen dem roten Stoff und den Schulterstücken aus goldenen Fäden. Und obendrauf sitzt ein Kopf mit Haaren voller Kleber oder Olivenöl oder irgendwas, dass sie glänzen und sich kein Härchen krümmt. Und bei der ganzen Beschreiberei hab ich den Schmuck an den Fingern, den Armen und um den Hals noch gar nicht erwähnt, die ihm so einen Anschein geben, ich sag lieber nicht, was für einen, so einen Anschein, dass man ihm eine Tochter, die unter die Haube soll, nicht zur Frau geben möchte. Er raucht seine Zigarette mit einem Gesicht, als wenn er es gar nicht will, sondern seiner Gesundheit zuliebe rauchen muss, und sagt: »Ich heiße Sacha Milou. Kennengelernt habe ich Louis im Dezember neunzehn ... Wenn ich Ihnen jetzt die Jahreszahl verrate, fühle ich mich richtig alt! Da waren Sie wohl noch gar nicht auf der Welt, Modeste.« Ich sag, ich heiß nicht Modeste, ich heiß Aimé. Aber der Sacha hat einfach weitergeredet, Hände auf dem Bauch: »Louis ist oft montags nach Saint-Étienne gekommen. Er hat mir Häute für meinen Laden mitgebracht, und
im Gegenzug
, wenn ich so sagen kann, Sie verstehen ...«
Ich verstehe nur ganz klare Sachen, und kaum steckt was dahinter, bin ich verloren wie der kleine Däumling, sagt Lucette, also sag ich, nein, Monsieur Milou, ich verstehe nicht, was Monsieur Louis im Gegenzug für die Häute bekommen hat, was denn? Da hat Frau Truchon gehustet, als wenn das genügt, dass ich meine Frage vergesse. Sacha hat mich ganz freundlich angegrinst. »Nun, Aimé, Sie sind ja kein Kind mehr. Louis hat sich ganz einfach die Zeit mit meinen Mädels vertrieben.« Wenn Sacha Milou sagt, meine Mädels, dann darf man das nicht so verstehen, dass das seine Töchter sind, also die Kinder von einer Frau, die er womöglich nie gesehen hat, weil wenn er eine Frau haben würde, dann wäre er ja ein Ehemann. Seine Mädels, das sind so Frauen, die sich für Geld an den Hintern und an den Busen grapschen lassen. Der Wachtmeister Lyon-Saëck schaut den Sacha Milou an und sagt ganz ruhig, was schlimmer ist als brüllen: »Sie unterhalten ein Bordell?« Da springt Sacha Milou auf, wie wenn ihm in dem Augenblick klar wird, dass das genau sein Beruf ist seit siebenundzwanzig Jahren. Ich sage, seit siebenundzwanzig Jahren, weil seit siebenundzwanzig Jahren gehört der »Blaue Engel« dem Sacha Milou. Frau Truchon, die nie einen Fuß in den »Blauen Engel« gesetzt hat, aber schon richtig angezogen ist, wenn sie einmal den Beruf wechseln will, fragt ganz normal, als wenn es um eine Keksfabrik geht: »Haben Ihre Mädels denn ordentliche Arbeitsbedingungen?« »Sie werden behandelt wie Königinnen«, sagt Sacha Milou und schaut dabei dem Wachtmeister in die Augen, der die Frage gar nicht gestellt hat. »Für mich sind sie wie meine eigenen Töchter.« Aimé, sag ich da zu mir, du hast recht, dass du so denkst, wie du denkst. Bei dem Wachtmeister und seiner guten Haltung kommt man gar nicht auf einen Polizisten in Pension, wie er sich in schönen Sätzen vorstellt. Mit seinem Alter und dem Eindruck, den er macht, geht der glatt als Komissar durch. Dabei ist er nur ein Wachtmeister, der es nicht bis zum Kommissar geschafft hat, weil er nämlich auch kein Wasser mag. Genau wie Monsieur Louis. Manchmal hat Monsieur
Weitere Kostenlose Bücher