Im Taumel der Herzen - Roman
etwas ganz anderes, einundzwanzig zu sein und keinen Verlobten zu haben. Außerdem wird es in der Zeitung stehen, wenn du den Sohn des Grafen für tot erklären lässt. Alle werden darüber Bescheid wissen – oh, hör auf, mich so böse anzufunkeln, ich nenne dich nicht ›alte Jungfer‹ …«
»Das hast du bereits getan, hier an diesem Tisch. Es ist noch keine fünfzehn Minuten her.«
»Das habe ich doch nicht so gemeint. Ich wollte dir damit nur etwas klarmachen, aber nun … Teufel noch mal, nun ist
die Situation eine völlig andere! Plötzlich hast du keinen Verlobten mehr!«
Julia schüttelte den Kopf. »Du betrachtest die Dinge schon wieder aus deiner Perspektive statt aus meiner. Du und die anderen Mädchen, mit denen wir zur Schule gingen, ihr wart alle der Meinung, dass man gleich in der ersten Saison heiraten müsse, weil sonst die ganze Welt zusammenbräche. Ich habe euch schon damals gesagt, wie albern das ist. Ob nun dieses Jahr oder erst in fünf oder gar zehn Jahren – für mich macht das keinen Unterschied, solange ich nicht meinen derzeitigen Verlobten heiraten muss und solange ich noch jung genug bin, um Kinder zu bekommen.«
»Es ist ein Luxus, so zu denken wie du!«, schnaubte Carol.
»Es hat eben auch Vorteile, nicht zur Aristokratie zu gehören. «
Der pikierte Ton, in dem Julia dies sagte, ließ Carol laut losprusten. » Touché! Aber du weißt, was das bedeutet, nicht wahr? Nun werde ich eine ganze Menge Feste für dich veranstalten müssen.«
»Nein, wirst du nicht.«
»Oh doch! Also schlag dir den Malory-Ball dieses Wochenende aus dem Kopf, denn dort wirst du nicht allzu viele junge Männer vorfinden. Dafür erweitere ich meine Gästeliste nun um …«
»Carol, sei nicht albern! Du weißt genau, dass dieser Ball der Ball der Saison sein wird. Die Einladungen sind im Moment sehr viel wert, man hat mir für die meine bereits dreihundert Pfund geboten.«
Carol riss die Augen auf. »Du machst Witze!«
»Stimmt, es waren nur zweihundert.«
Julia heimste damit nicht das Gelächter ein, auf das sie gehofft hatte. Stattdessen bedachte Carol sie mit einem strengen
Blick und sagte: »Ich weiß genau, für wen dieser Ball veranstaltet wird, auch wenn das eigentlich ein Geheimnis bleiben soll. Du hast dich mit Georgina Malory angefreundet und warst sogar schon ein paar Mal bei ihr zu Hause …«
»Du meine Güte, sie sind nun mal unsere Nachbarn, und das bereits seit sieben Jahren – oder sind es inzwischen schon acht? Sie wohnen nur ein paar Häuser weiter!«
»… dennoch wirst du nie erleben, dass ich einen Fuß über diese Schwelle setze«, fuhr Carol fort, als wäre sie nicht unterbrochen worden.
»Der Ball findet gar nicht bei Georgina statt. Gastgeberin ist ihre Nichte Lady Eden.«
»Das spielt keine Rolle. Ihr Ehemann wird auch dort sein, und es ist mir in all den Jahren stets gelungen, ein Zusammentreffen mit James Malory zu vermeiden. Ich habe all diese Geschichten über ihn gehört, und deshalb werde ich ihn auch weiterhin meiden, das kannst du mir glauben!«
Julia verdrehte die Augen. »Er ist nicht der Unhold, den du aus ihm machst, Carol, das habe ich dir schon oft gesagt. Er hat überhaupt nichts Unheilvolles oder Gefährliches an sich.«
»Natürlich versteckt er diese Seite vor seiner Frau und ihren Freunden!«
»Das kannst du erst sagen, wenn du ihn kennengelernt hast, Carol. Außerdem hegt er eine derartige Abneigung gegen gesellschaftliche Ereignisse, dass er womöglich gar nicht anwesend sein wird.«
»Meinst du wirklich?«
Julia verkniff sich eine Antwort. Selbstverständlich würde er anwesend sein, schließlich wurde der Ball zu Ehren seiner Frau gegeben. Trotzdem ließ sie Carol in dem Glauben, dass er womöglich gar nicht da sein würde – auch wenn das höchst unwahrscheinlich war –, und bekam prompt die Antwort, auf die sie gehofft hatte.
»Na schön, ich begleite dich.« Doch ganz so leichtgläubig war Carol nun auch wieder nicht, denn sie fügte hinzu: »Und falls er doch da sein sollte, dann behalte es für dich, ich will es lieber gar nicht wissen.«
3
G abrielle Anderson stand am Ruder und steuerte die Triton . Das Meer war an diesem Tag sehr ruhig, so dass es sie kaum Kraft kostete, das Steuerrad in Position zu halten. Ihr Ehemann Drew hatte keinerlei Bedenken, dass sie sein geliebtes Schiff versenken könnte. Er wusste, dass sie während der drei Jahre, in denen sie mit ihrem Vater Nathan Brooks und seiner Schatzsuchermannschaft durch
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