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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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durchfuhr Tjaden eine Erleuchtung. Sein spitzes Mausegesicht fing ordentlich an zu schimmern, die Augen wurden klein vor Schlauheit, die Backen zuckten, und er trat dichter heran: »Menschenskind, dann hast du ja auch für hundertfünfzig Mann Brot empfangen, was?« Der Unteroffizier nickte verdattert und geistesabwesend, Tjaden packte ihn am Rock. »Und Wurst auch?«
    Der Tomatenkopf nickte wieder.
    Tjadens Kiefer bebten. »Tabak auch?«
    »Ja, alles.«
    Tjaden sah sich strahlend um. »Donnerwetter, das nennt man Schwein haben! Das ist dann ja alles für uns! Da kriegt jeder ja – wartet mal – tatsächlich, genau doppelte Portionen!«
    Jetzt aber erwachte die Tomate wieder zum Leben und erklärte: »Das geht nicht.«
    Doch nun wurden auch wir munter und schoben uns heran.
    »Warum geht das denn nicht, du Mohrrübe?« fragte Katczinsky.
    »Was für hundertfünfzig Mann ist, kann doch nicht für achtzig sein.«
    »Das werden wir dir schon zeigen«, knurrte Müller.
    »Das Essen meinetwegen, aber Portionen kann ich nur für achtzig Mann ausgeben«, beharrte die Tomate.
    Katczinsky wurde ärgerlich. »Du mußt wohl mal abgelöst werden, was? Du hast nicht für achtzig Mann, sondern für die 2. Kompanie Furage empfangen, fertig. Die gibst du aus! Die 2. Kompanie sind wir.«
    Wir rückten dem Kerl auf den Leib. Keiner konnte ihn gut leiden, er war schon ein paarmal schuld daran gewesen, daß wir im Graben das Essen viel zu spät und kalt bekommen lütten, weil er sich bei etwas Granatfeuer mit seinem Kessel nicht nahe genug herantraute, so daß unsere Essenholer einen viel weiteren Weg machen mußten als die der andern Kompanien. Da war Bulke von der ersten ein besserer Bursche. Er war zwar fett wie ein Winterhamster, aber er schleppte, wenn es darauf ankam, die Töpfe selbst bis zur vordersten Linie.
    Wir waren gerade in der richtigen Stimmung, und es hätte bestimmt Kleinholz gegeben, wenn nicht unser Kompanieführer aufgetaucht wäre. Er erkundigte sich nach dem Streitfall und sagte vorläufig nur: »Ja, wir haben gestern starke Verluste gehabt –«
    Dann guckte er in den Kessel. »Die Bohnen scheinen gut zu sein.«
    Die Tomate nickte. »Mit Fett und Fleisch gekocht.«
    Der Leutnant sah uns an. Er wußte, was wir dachten. Auch sonst wußte er noch manches, denn er war zwischen uns groß geworden und als Unteroffizier zur Kompanie gekommen. Er hob den Deckel noch einmal vom Kessel und schnupperte. Im Weggehen sagte er: »Bringt mir auch einen Teller voll. Und die Portionen werden alle verteilt. Wir können sie brauchen.«
    Die Tomate machte ein dummes Gesicht. Tjaden tanzte um sie herum.
    »Das schadet dir gar nichts! Als ob ihm das Proviantamt gehört, so tut er. Und nun fang an, du alter Speckjäger, und verzähle dich nicht –«
    »Häng dich auf!« fauchte die Tomate. Sie war geplatzt, so etwas ging ihr gegen den Verstand. Sie begriff die Welt nicht mehr. Und als wollte sie zeigen, daß nun schon alles egal sei, verteilte sie pro Kopf freiwillig noch ein halbes Pfund Kunsthonig.
    *
    Der Tag ist wirklich gut heute. Sogar Post ist da, fast jeder hat ein paar Briefe und Zeitungen. Nun schlendern wird zu der Wiese hinter den Baracken hinüber. Kropp hat den runden Deckel eines Margarinefasses unterm Arm. Am rechten Rande der Wiese ist eine große Massenlatrine erbaut, ein überdachtes, stabiles Gebäude. Doch das ist was für Rekruten, die noch nicht gelernt haben, aus jeder Sache Vorteil zu ziehen. Wir suchen etwas Besseres. Überall verstreut stehen nämlich noch kleine Einzelkästen für denselben Zweck. Sie sind viereckig, sauber, ganz aus Holz getischlert, rundum geschlossen, mit einem tadellosen, bequemen Sitz. An den Seitenflächen befinden sich Handgriffe, so daß man sie transportieren kann. Wir rücken drei im Kreise zusammen und nehmen gemütlich Platz. Vor zwei Stunden werden wir hier nicht wieder aufstehen.
    Ich weiß noch, wie wir uns anfangs genierten als Rekruten in der Kaserne, wenn wir die Gemeinschaftslatrine benutzen mußten. Türen gibt es da nicht, es sitzen zwanzig Mann nebeneinander wie in der Eisenbahn. Sie sind mit einem Blick zu übersehen; – der Soldat soll eben ständig unter Aufsicht sein.
    Wir haben inzwischen mehr gelernt, als das bißchen Scham zu überwinden. Mit der Zeit wurde uns noch ganz anderes geläufig.
    Hier draußen ist die Sache aber geradezu ein Genuß. Ich weiß nicht mehr, weshalb wir früher an diesen Dingen immer scheu vorbeigehen mußten, sie sind ja ebenso

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