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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehabt.«
    »Glück«, wiederholte sie leise und verzagt und sah Stephan dabei an. Und es schien, als wollten sich die Schatten wieder über ihr Gesicht legen. Die Schatten grauenhafter Erlebnisse.
    Dr. Endres gab ihr eine Spritze, und danach schlief sie augenblicklich ein. Sie schlief viele Stunden … der Gesundheit entgegen.
    Es war Frühling – ein Tag für Bienen und Zitronenfalter, für den Gesang von Amseln und den Duft von wildem Klee. Der Heidefriedhof in Berlin lag in der Sonne wie ein großer, stiller Garten. Ein Park voller Blumen für die Toten.
    Vor dem Grab Nummer 4.716/II standen Janine und Stephan. Es war noch nicht alt, dieses Grab, und sah doch verwahrlost aus: zerstampfte Erde, niedergetretene Immergrünbüsche, dazwischen ein vergessener, braungedörrter Nelkenstengel.
    Eine lieblose Ruhestätte. Da drunten lag niemand, um den getrauert wurde, nur ein armes, unbekanntes, ermordetes Mädchen, eingegraben, ausgegraben und wieder eingegraben unter Polizeibewachung. Und dahinter erhob sich noch immer der Stein: Janine Siebert … geboren … gestorben …
    Wem passiert es schon, daß er vor seinem eigenen Grabstein steht? Janine starrte auf die schwarzen Buchstaben, und es war ihr, als löste sich alles, was sie erlebt hatte, bei diesem Anblick in grenzenlose Traurigkeit auf.
    Sie griff haltsuchend nach Stephans Hand. Ohne ihn hätte sie es nicht ertragen, hierher zurückzukehren. Nach Berlin, den Ort, wo es für sie noch immer Jürgen gab, das Haus in der Atlasstraße, vertraute Plätze. Restaurants, in denen sie miteinander gegessen hatten. Wege, die sie gegangen waren.
    Wäre es nicht besser gewesen, sie könnte sich nie mehr daran erinnern? Wäre es nicht eine Gnade, sie könnte dies alles vergessen – Jürgens Gesicht, seine Küsse, Stunden des Glücks, seine Hände, mit denen er sie erwürgen wollte, seine Lügen, seine Zärtlichkeiten, seine Grausamkeit.
    Hier, an dieser Stelle, hatte er gestanden und dem Sarg nachgesehen, in dem er Janine glaubte. Gestern in der Gerichtsverhandlung hatte er gesagt: »Zu diesem Zeitpunkt habe ich ehrlich um sie getrauert.« Es war ihr nicht erspart geblieben, sein Gesicht dabei zu sehen. Ein graues, schlaffes, verwüstetes Gesicht, in dem sie nichts mehr wiederfand.
    Es war ihr auch nicht erspart geblieben, ihre Aussagen zu machen, die Fahrt ins Jagdhaus zu schildern, den Abend vorher in Gabriele Westphals Villa. Alles fügte sich zu einem Mosaik der Gemeinheit zusammen und trotzdem hatte sie keine Genugtuung gefühlt, als der Richter das Urteil verkündete: Lebenslänglich.
    »Gehen wir«, sagte sie leise zu Stephan.
    Er legte den Arm um sie.
    »Bittere Medizin?« fragte er.
    Janine nickte. »Sehr bittere, Stephan.«
    Heute früh war er mit ihr in dem Haus in der Atlasstraße gewesen. In dem Haus, wo noch immer saubergemacht wurde, als kämen die Besitzer demnächst von einer langen Reise zurück. Der Garten, das Wohnzimmer, die Schränke, Jürgens Anzüge hingen darin. Ihre Kleider hatte er weggegeben. Sie war froh, wenigstens davon nichts wiederzusehen.
    Sie hätte viel darum gegeben, überhaupt nicht mehr in das Haus zurückkehren zu müssen, aber Stephan hatte es so gewollt.
    »Es hat keinen Zweck, davonzulaufen, Janine«, hatte er gesagt. »Du mußt tapfer sein. Bilder, vor denen man sich fürchtet, muß man ganz fest ansehen, nur so verlieren sie ihren bösen Zauber. Verstehst du mich?«
    »Ja, Herr Doktor«, hatte sie gehorsam gesagt und dabei ein bißchen ängstlich gelächelt.
    »Wie können wir glücklich miteinander werden, Janine, wenn du die Angst nicht los wirst? Was geschehen ist, ist vorbei, vorbei für immer, es hat nichts mehr zu bedeuten.«
    Ja, es war bittere Medizin. Sie hatte ihren ganzen Mut zusammengenommen, hatte Nachbarn gegrüßt, war durch ihr Schlafzimmer gegangen und jetzt bis hierher vor das Grab. Vielleicht hatte Stephan recht: Alpträume verlieren ihren Schrecken, wenn man sich ihnen im Tageslicht stellt.
    Morgen würde der Steinmetz kommen und ihren Namen wegmeißeln. Dann war dieses Stück Erde hier ein Grab wie alle die andern Gräber. Das Haus in der Atlasstraße würde verkauft werden. Dann war es wieder irgendein Haus, in dem fremde Leute wohnten.
    Und wenn manchmal im Dunkel der Nacht das Grauen zurückkäme, dann wird Stephan bei mir sein. Er wird mich beschützen.
    Janine fühlte, wie gut es war, neben ihm zu gehen, im gleichen Schrittmaß, seinen Arm zu spüren, sich dabei an seine breite Schulter zu

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