Immortal 3 - Schwarze Glut
gesamte Ewige Stadt zum Leuchten brachten, waren noch vor der Blüte verdorrt. Selbst die alten Pinien und die sonst so widerstandsfähigen Olivenbäume drohten abzusterben, was umso grotesker anmutete, wenn man bedachte, dass England und Schottland Rekordregenfälle verzeichneten und dort die Bauernhöfe im Wasser versanken.
Diese Wetterphänomene waren ein weiteres Anzeichen für 7
die zunehmende Todesmagie, die nach und nach die Lebensmagie auslöschte. Seit beinahe einem Jahr schon beobachtete Christine den unaufhaltsamen, beängstigenden Wandel. Extreme Dürren und regelrechte Wasserfl uten sorgten dafür, dass überall Hunger und Angst herrschten. Zugleich vermehrten sich die todesmagischen Kreaturen in erschreckendem Tempo. Allerorten nahmen Gewalt und Vandalismus zu. Selbst Museen wurden überfallen und unbezahlbare Kunstwerke zerstört.
Ein Ende war nicht in Sicht. Alles Leben auf der Erde schwand dahin, verging unter der gnadenlosen, zersetzenden Macht der Finsternis. Die Lebensmagie, der Quell alles Guten, versiegte zusehends. Hexen des Lichts, wie Christine, versuchten alles, um sich dagegenzustemmen, aber das schien ein fruchtloses Unterfangen zu sein. Es gab zu viele Löcher zu stopfen, zu viele Risse zu versiegeln, während das Gute aus der Welt sickerte wie Wasser durch ein Sieb.
Heute Morgen jedoch hatte Christine unerwartet neue Hoffnung geschöpft. Ein plötzlicher Wolkenbruch hatte leben
spendendes Wasser über die dürregeplagte Stadt gebracht. In ihrer Bodenkammer hatte Christine gehört, wie die Tropfen aufs Dach trommelten. Mit allen Behältern, die sie fi nden konnte, war sie die kleine Treppe zur Dachterrasse hinaufgeeilt, um so viel Regenwasser aufzufangen, wie sie konnte. Jeder Tropfen war kostbar, vor allem an diesem besonderen Morgen. Es war der 1. Mai, und Beltane-Regen barg eine ganz eigene Kraft.
Es konnte kein Zufall sein, dass ausgerechnet an dem Tag Regen fi el, an dem Christine ihre mächtigste Magie wirken musste. Die Mutter Göttin segnete ihr Vorhaben, dessen war Christine sich sicher.
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Sie spreizte die Finger auf dem harten Boden. Die krustige Oberfl äche fühlte sich noch feucht an, wenngleich die Schicht darunter hart und unnachgiebig wie Beton war. Alles Leben war aus ihr entwichen, so wie die Magie aus der Welt verschwand. Was konnte eine Hexe ausrichten, um diesem Schrecken ein Ende zu setzen? Sehr wenig. Aber sie war nicht allein, nicht mehr.
Christine hatte ihre Kunst stets allein ausgeübt. Erst die wachsende Panik während der letzten Monate hatte sie in ein Internetcafé getrieben, in dem sie online nach anderen Hexen suchte, die angesichts des beständig stärker werdenden Bösen ähnlich besorgt waren wie sie. Und so kam es, dass Christine vom weltweit operierenden Hexenzirkel des Lichts aufgenommen wurde. Als überzeugte Künstlerin, die ihre Unabhängigkeit über alles schätzte, war sie nicht unbedingt begeistert, Teil einer Gruppe zu sein. Aber hatte sie eine andere Wahl? Sie verfügte über Zauberkräfte, recht starke noch dazu, hatte es in den letzten zwei Jahren allerdings vermieden, sie zu nutzen. Das war nun vorbei. Es stand zu viel auf dem Spiel, und der Hexenzirkel brauchte sie. Deshalb hockte sie hier und bereitete sich darauf vor, Mächte heraufzubeschwören, von denen sie verdammt gut wusste, dass sie sie nicht kontrollieren konnte. Sie presste ihre Hände fester auf die feuchte Erde, verlangsamte ihre Atmung und konzentrierte sich auf den tiefsten Kern ihrer selbst. Rutschend spreizte sie die Knie etwas weiter. Die Magie des Regens schwappte einer Funkenwelle gleich von ihren Fingerpitzen ihre Arme hinauf und durch ihren Oberkörper. Wieder nahm der Wind leicht zu und strich über ihre entblößten Schamlippen. Eine quälende Hitze breitete sich zunächst in ihrem Bauch aus, dann in ihren Brüsten 9
und schließlich auf ihrem Hals und ihrem Gesicht. Ihre Brustknospen kribbelten und richteten sich auf. Sie holte tief Luft. Göttin, wie sie das hasste!
Liebend gern gäbe sie dem Drang nach, zu ihren Kleidern zu eilen! Sie wollte sich mit den Händen bedecken oder sich vorbeugen, so dass ihr Haar ihren nackten Körper verhüllte –
alles, damit sie sich nicht mehr so schutzlos fühlte. Aber sie zwang sich, regungslos zu verharren. Ihren Stolz hatte sie längst hinter sich gelassen, denn er zählte nicht mehr. Letzte Nacht hatte der Hexenzirkel einen furchtbaren Rückschlag erlitten. Eine amerikanische Hexe wäre während eines Zaubers
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