Immortals after Dark 03 - Versuchung des Blutes
auf der Schwelle zu etwas Großem stand. Die Reflexion lehrte sie neue Dinge. Jedes Mal, wenn sie sie beschwor, gewann sie mehr Kontrolle über ihre Macht. Außerdem vermutete sie, dass jedes Stückchen Apfel sie körperlich stärker machte. „Was daran verlockend ist? Ich werde das Spiegelbild fragen, ob es den anderen wirklich gut geht. Denn aus irgendeinem Grund beginne ich allem zu misstrauen, was du mir je gesagt hast.“
Er verschränkte die Arme über seiner Brust. „Nicht solange ich hier bin.“
„Dann solltest du dich besser beeilen, von hier zu verschwinden.“
„Glaubst du vielleicht, das würde ich nicht tun?“ Er sprang auf die Füße, zog seine Jeans an und fuhr stampfend in seine Stiefel. „Ich sollte dich einfach hier sitzen lassen. Um dich daran zu erinnern, wie sehr du mich brauchst.“
„Mach doch. Wage es! Und pass auf, dass dich beim Rausgehen kein Ast am Hintern trifft.“
„Oh, das ist ja wirklich großartig!“
„Oh, aye, das ist wirrrklich grrroßarrrtig!“, äffte sie seinen schottischen Akzent nach.
Er richtete seinen Zeigefinger auf sie und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, klappte ihn aber gleich darauf wieder zu. „Ich werde mir das nicht ansehen“, stieß er schließlich hervor, bevor er sich umdrehte und in die Nacht verschwand.
Mari blieb allein zurück, fassungslos über das, was gerade passiert war. Sie hatte erwartet, dass sie sich die ganze Nacht über lieben würden, weil er sie begehrte. Nicht weil er scharf darauf war, sie zu schwängern.
Oder es zumindest zu versuchen. MacRieve musste unbedingt seinen kleinen Test haben, denn aus irgendeinem Grund konnte er sie nicht einfach nur ansehen, ihre Stimme hören und in ihrer Nähe sein und wissen, dass sie die Seine war.
Was zum Teufel musste eigentlich passieren, dass endlich einmal jemand zu Mari sagte: „Ich wähle dich “?
Wahrscheinlich würde sie vor Schock sprachlos hintenüberkippen, wenn sie mal jemanden kennenlernte, der einfach sagte, und zwar nur aufgrund ihrer Persönlichkeit und nicht wegen so einem Gefährtinnenmist oder was auch immer: „Es besteht kein Zweifel. Du bist die Einzige für mich.“
Und was würde MacRieve machen, wenn sie auch nach wiederholten Anläufen nicht schwanger werden würde?
Ist doch kla r – mich verlassen.
Diese Einsicht versetzte ihr einen ziemlichen Schlag, denn wenn sie jetzt an ihre Zukunft in New Orleans dachte, weit weg von dieser fremden Dschungelwelt, dann war er immer ein Teil davon.
Sie wischte noch eine Träne weg. Verdammt noch mal, was war bloß an ihr, das sie s o … entbehrlich machte?
37
Manchmal wusste Bowe augenblicklich, dass ihm ein Moment auch noch in tausend Jahren genauso klar vor Augen stehen würde wie an dem Tag, an dem er ihn erlebte.
Als er nach einem anstrengenden Lauf durch den Dschungel zum Lager zurückkam, wusste er, dass sich ihm die Szene, die er vorfand, unauslöschlich einprägen und sogar die Lebenszeit eines Unsterblichen überdauern würde.
Nach wie vor zuckten Blitze über den Horizont, und der Regen fiel sanft. Mariketa lag auf der Seite in dem kleinen Unterschlupf, einen Arm unter den Kopf gelegt. Den anderen Arm hielt sie über ihren Kopf, und eine riesige Spinne schwebte über ihrer leuchtenden Hand. Sie betrachtete sie geistesabwesend mit leuchtenden Spiegelaugen. Ihre Lippen waren tiefrot, dunkler, als er es je an ihr gesehen hatte, blutro t – und neben ihr lagen drei unheilvoll aussehende angebissene Äpfel. Sie sah aus wie jene übernatürliche Reflexion, die er im Wasser gesehen hatte.
– Sei auf der Hut. –
Überall wucherten diese ominösen Schlingpflanzen, zu undurchdringlichen Schichten verflochten bedeckten sie den Unterschlupf, als ob sie sie schützen wollten. Der Platz drumherum war vollständig mit kleinem Getier übersät: Leguane, Frösche, Schlangen, Mäuse und Nasenbären bildeten eine Art lebendigen Wallgraben. Im Blätterdach direkt über ihr saßen Brüllaffe n – wachsam und bereit zu handeln, wenn nöti g – , die sich das Geäst mit Eulen teilten.
Die Hexe schien diese Tiere in ihrem jetzigen Zustand geradezu magisch anzuziehen.
– Sei auf der Hut. Ihre Macht ist instabil. –
Schüttelfrost überkam ihn; er zitterte, obwohl er nach seinem Lauf schwitzte. Trotzdem wollte ein Teil von ihm am liebsten zu ihr laufen und sie trösten.
Er konnte ihre Trauer spüren und ihre Enttäuschun g – über ihn. Seine eigene Wut hatte sich in eine bittere Erkenntnis verwandel t
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