0883 - Labyrinth der Kugelhöhlen
Manja Bannier betrachtete die Szene, die sich ihr hier bot.
Die Pädagogin, die nun schon eine geraume Zeit bei no tears arbeitete, konnte sich ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen. Eines musste man der Neuen ja lassen - die Kinderherzen flogen ihr nur so zu.
Das war aber auch nicht verwunderlich, denn Rola DiBurn spielte mit Vorliebe den Clown für die Kids, und die dankten ihr das von Herzen. Protegé hin, Beziehungen her - Doktor Artimus van Zant, Gründer von no tears , dem Trust, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sich der Kinder anzunehmen, deren Zukunftschancen glatt gegen Null liefen, hatte die junge Frau hier vor wenigen Tagen als Helferin für das pädagogische Team vorgestellt. Und Manja fand, er hatte die Richtige für diesen Job gefunden.
Gut, man munkelte, doch tat man das nicht immer? Allerdings ging es wohl über reine Gerüchte hinaus, denn man konnte van Zant und DiBurn schon ansehen, dass da einiges mehr als eine rein geschäftliche Beziehung zwischen ihnen existierte.
Rola DiBurn war keine ausgebildete Erzieherin, doch mit ihrer übergroßen Fantasie, ihrem wohl angeborenen Spieldrang, machte sie fehlendes Wissen nahezu wett. Die Kinder liebten sie, das war nicht zu übersehen. Auch jetzt nicht. Offenbar hatte Rola mit einigen der wildesten Kinder Verstecken gespielt. Natürlich hatten die cleveren Kinder sie schnell erwischt, und nun musste die junge Frau mit den schwarzen Zöpfen eine wahre Kitzelorgie über sich ergehen lassen. Ihr Lachen erfüllte jeden Winkel des Stammhauses.
Einige Zeit sah Manja nur zu, dann schritt sie doch ein, denn die Kinder fanden natürlich kein Ende.
»Lasst Rola leben! Hallo… langsam, ja? Wir müssen ein wenig stiller sein, denn in Millisans Büro stellt sich doch heute die neue Köchin vor. Was soll die denn von uns denken?«
Die neunjährige Marie-Claire hatte die passende Antwort für ihre Erzieherin parat.
»Das wir hier alle sehr fröhlich sind. Das soll die sich denken.«
Das Mädchen hatte eine verkrüppelte Hand, ein Andenken an ihre leibliche Mutter. Die hatte ihre Tochter im Vollrausch fürchterlich verprügelt - immer und immer wieder… ihr schließlich die Hand mehrfach gebrochen.
Marie-Claire konnte mit diesem Handicap umgehen, und hier bei no tears stellte ihr auch niemand dumme und verletzende Fragen. Viele der mittlerweile 41 Kinder die hier lebten, hatten ganz ähnliche Vorgeschichten. Begonnen hatte alles in Algier, in der Kasba, dem Altstadtlabyrinth der großen Stadt, wo Artimus van Zant den kleinen Julo getroffen hatte.
Der Elfjährige hatte keine Beine, bewegte sich auf einer Art Skateboard vorwärts. Artimus hatte diesen Trust mit Hilfe seines Chefs Robert Tendyke gegründet, basierend auf dem Vermögen der verstorbenen Khira Stolt, die schon im Mutterleib manipuliert und zu einer Mutation verwandelt worden war. Khira Stolt… sie war in van Zants Armen gestorben, doch der Physiker wollte dafür sorgen, dass mit ihrem Geld etwas erschaffen wurde, das Dauer hatte, das wirklich effektiv half und wirkte.
Manja lächelte. Natürlich hatte Marie-Claire nicht Unrecht. Dennoch konnte ein wenig Ruhe sicher nicht schaden. »Und wenn ich euch Rasselbande mit einem Eis besteche? Was dann?«
Julos Schwester Appia, die van Zant ebenfalls aus der Kasba hatte retten können, riss beide Arme in die Höhe. »Au ja - los! Alle in die Küche… Eis!«
Das Mädchen war noch keine zehn Jahre alt, doch in ihrem kurzen Leben war sicher mehr passiert, als in dem einer normalen Dreißigjährigen. Doch das alles hatte ihr die angeborene Lebensfreude nicht nehmen können. Zumindest zeigte sie den Schmerz ihrer Seele nicht öffentlich. Manja wusste, dass Appia oft nächtelang wach in den Armen ihres Bruders lag. Die Augen schließen, das bedeutete, den bösen Träumen Zutritt zu gewähren… Träume voller Gewalt.
Die Kinder tobten lautstark durch die Gänge des Haupthauses. Die Richtung war klar, denn Eis gab es in der Küche. Manja und Rola DiBurn bildeten den Abschluss der kleinen Prozession. Rola blickte zu ihrer erfahrenen Kollegin.
»Ich hoffe, durch meine Art werden die Kinder nicht zu wild? Ich möchte nach Möglichkeit alles richtig machen, weißt du? Das hier liegt mir wirklich am Herzen, auch wenn ich erst kurz dabei bin.«
Manja Bannier schüttelte energisch den Kopf. »Keine Sorge, du tust den Kindern gut. Ich denke, das kann ich schon jetzt sagen. Und Millisan sieht das auch so. Sie hat mit mir noch gestern über dich
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