Immortals after Dark 03 - Versuchung des Blutes
leid, Mariketa. Ich kann nicht verstehen, wie Eltern ihr Kind verlassen können.“
Aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass Bowen schlecht von ihren Eltern dachte. „Sie werden ihre Gründe gehabt haben. Jedenfalls war ich ihnen wichtig, als sie noch da waren.“ Das zumindest wusste sie ganz sicher.
Er wirkte noch nicht vollkommen überzeugt.
„Ich weiß noch, als ich vier war, sind meine Eltern mit mir nach Disney World gefahren. Mein Dad hat Magie benutzt, um dafür zu sorgen, dass ich alle Preise beim Ringewerfen gewinne, aber natürlich hat er jedes Mal, wenn ich ihn finster ansah, nur mit Unschuldsmiene die Hände gehoben. Mom und Dad haben sich jedes einzelne dämliche Musical mit mir angesehen und sämtliche Achterbahnen und was weiß ich noch alles ausprobiert, vollbepackt mit meinen Stofftieren. So ab Mittag hat Dad mich dann auf den Schultern getragen. Und am Ende des Tages hatten beide diesen starren Gesichtsausdruck, den Eltern immer nach so einer Strafexpedition in den Vergnügungspark aufsetzen. Trotzdem sind sie geblieben, um mir noch eine letzte Süßigkeit zu kaufen. Meine Mutter konnte vor Erschöpfung schon fast nicht mehr geradeaus sehen und hätte den Eisverkäufer um ein Haar mit Druidenmünzen bezahlt. Und dann, als wir auf irgend so einem Platz unser Eis aßen, ist mein Vater auf einmal von der Bank aufgesprungen. ‚Jill!‘, hat er gebrüllt. ‚Wo ist Mari? Oh, ihr Götter, ich hab unsere Tochter verloren!‘ Bis meine Mutter ihn darauf hinwies, dass ich immer noch auf seinen Schultern saß.“
Sie hatten alle drei gelacht, bis ihnen die Tränen kamen.
Bowen legte den Kopf auf die Seite. „Das klingt, als ob sie einen richtigen Narren an dir gefressen hätten.“
Narren . Was für ein passendes Wort. „Ich schätze schon.“ Nachdem Maris Vater sie verlassen hatte, hatte ihre Mutter sie weiterhin mit Aufmerksamkeit überschüttet, auch wenn Jillian immer traurig zu sein schien, wenn sie sich zu sehr amüsiert hatten. Selbst nach diesem unglaublichen Tag, den sie beide am Strand verbracht hatten, schien sie merkwürdig geistesabwesend zu sei n …
Auf einmal meinte Mari eine seltsame Schärfe in der Luft zu spüren und blickte nach oben. Sie entdeckte einige Raben, die über ihnen kreisten, und ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken.
„Was ist?“, fragte MacRieve und umfasste sanft ihre Schultern. „Was hast du?“
„Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich gar nichts“, sagte sie, doch sie hörte nicht auf, sich angestrengt umzublicken.
„Wenn sich dein Bauchgefühl meldet, dann will ich es wissen. Ich hätte schon bei der Brücke auf dich hören sollen, und ab jetzt werde ich das auch tun.“
Aber sie konnte nicht benennen, was sie fühlte, weil sie es selbst nicht verstand. „Nein, mir geht’s gut“, sagte sie schließlich und rang sich ein Lächeln ab. „Du schuldest mir immer noch fünf Dinge.“
Er fuhr sich mit der Hand durch den Nacken und sah aus, als ob er sich wesentlich lieber mit einer geheimnisvollen Bedrohung auseinandersetzen würde, als fünf Dinge über sich selbst preiszugeben.
35
Bowe öffnete den Mund, um ihr zu antworten, konnte sich aber wieder nicht überwinden. Was keine große Überraschung war. Er war nervös, weil sie eine Bedrohung gespürt hatte, wo er noch nichts witterte. Dazu kam die Tatsache, dass es absolut nichts gab, was Bowen ihr hätte erzählen können.
Über viele Jahrzehnte hinweg hatte sich sein Leben ausschließlich darum gedreht, Mariah zurückzubringen. Und dieses Thema wollte er gerne vermeiden, genau wie die Talisman-Tour. Doch abgesehen von diesen beiden Beschäftigungen hatte er seit langer Zeit gar kein richtiges Leben geführt.
Bowe hatte gewusst, dass seine Existenz seelenlos und öde gewesen war, aber noch nie zuvor war ihm diese Tatsache so gnadenlos bewusst geworden.
Er konnte ihr erzählen, dass er früher eine Armee befehligt hatte, eine überaus mutige. Doch die Horde hatte sie in demselben Krieg getötet, in dem Rydstrom seine Armee verloren hatte, und Bowe wollte ihr lieber nichts von seinem Versagen erzählen. Heute erst hatte sie begonnen, ihn in einem anderen Licht zu sehen, und er wollte nicht, dass sich das änderte.
Er war gut im Töten. Auch das war nicht gerade eine hilfreiche Eigenschaft bei seinem Versuch, sie für sich zu gewinnen.
Und Freunde? Bowe besaß nicht viel e – oder, genauer gesagt, kein e – , die er regelmäßig sah. Er hatte seine Freunde vernachlässigt, nachdem
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