Imperator 01 - Die Tore von Rom
den dichten Wald.
»Weißt du, mein Junge, niemand zweifelt an deinem Mut. Was aber deine Fähigkeiten als Kämpfer angeht, bin ich mir da nicht so sicher. Es wird höchste Zeit, dass du kämpfen lernst, bevor dich noch jemand umbringt. Sobald dein Vater aus der Stadt zurück ist, muss ich mit ihm darüber reden.«
»Du sagst ihm aber nichts davon … dass ich vom Baum gefallen bin? Ich habe beim Sturz viele Äste gestreift.« Gaius schmeckte das Blut, das ihm von der gebrochenen Nase im Hals hinunterlief.
»Hast du den Baum wenigstens auch getroffen? Nur ein einziges Mal?«, fragte Tubruk, musterte das aufgewühlte Laub und las darin die Antwort.
»Ich schätze, der Baum hat genauso eine Nase wie ich.« Gaius versuchte zu lächeln, übergab sich jedoch stattdessen ins Unterholz.
»Hmmm. Glaubst du, die Geschichte ist damit beendet? Ich kann dich nicht so weitermachen lassen und zusehen, wie man dich verkrüppelt oder gar tötet. Wenn dein Vater in der Stadt ist, erwartet er, dass du allmählich deine Pflichten als sein Erbe und als Patrizier erlernst. Ganz bestimmt ist ihm nicht daran gelegen, einen nutzlosen Bengel großzuziehen, der ständig in sinnlose Keilereien verwickelt ist.« Tubruk bückte sich, um den zerbrochenen Bogen aus dem Unterholz zu ziehen. Die Sehne war gerissen, und er schüttelte missbilligend den Kopf.
»Dafür, dass du auch noch den Bogen geklaut hast, sollte ich dir den Hintern versohlen.«
Gaius nickte unglücklich.
»Keine Schlägereien mehr, verstanden?« Tubruk stellte ihn auf die Füße und klopfte ihm ein wenig nasse Erde ab.
»Keine Schlägereien mehr. Versprochen! Danke, dass du gekommen bist, um mich zu holen«, erwiderte Gaius.
Der Junge taumelte und fiel beinahe um, während er sprach. Der alte Gladiator seufzte. Mit einem raschen Griff hievte er sich den Knaben auf die Schultern, trug ihn zurück zur Villa und rief bei jedem tief herabhängenden Ast laut: »Duck dich!«
In der folgenden Woche war Marcus, bis auf seine geschiente Hand, schon wieder ganz der Alte. Er war etwa fünf Zentimeter kleiner als Gaius, hatte braunes Haar und kräftige Gliedmaßen. Seine Arme waren im Vergleich zum Rest seines Körpers etwas zu lang, doch er behauptete immer, dass ihn das wegen der zusätzlichen Reichweite später zu einem großen Schwertkämpfer machen würde. Er konnte mit vier Äpfeln jonglieren und hätte es auch mit Messern versucht, wenn die Küchensklaven nicht Gaius’ Mutter Aurelia davon erzählt hätten. Sie hatte ihn angeschrieen, bis er versprochen hatte, es nie wieder zu probieren. Die Erinnerung daran ließ ihn jedes Mal kurz stocken, wenn er ein Messer zum Essen in die Hand nahm.
Als Tubruk den fast bewusstlosen Gaius zur Villa zurückbrachte, war Marcus bereits aufgestanden und hatte sich in den riesigen Küchenkomplex hinuntergeschlichen. Gerade als er seine Finger in die fettverschmierten Eisenpfannen stippen wollte, hörte er Stimmen. Marcus trottete an den gewaltigen Ziegelöfen vorbei zu Lucius’ Behandlungsraum.
Immer wenn sie sich verletzt hatten, versorgte Lucius, der Physikos unter den Sklaven, ihre Wunden. Er behandelte die Familie und alle Sklaven des Gutes, verband Schwellungen, versorgte Entzündungen mit Schröpfumschlägen, zog mit seiner Zange Zähne und vernähte Schnittwunden. Lucius war ein ruhiger, geduldiger Mann, der immer, wenn er sich konzentrierte, geräuschvoll durch die Nase atmete. Dieses sanfte Schnauben aus der Lunge des alten Arztes war für die Jungen zu einem Zeichen für Frieden und Geborgenheit geworden. Gaius wusste, dass, wenn sein Vater einmal starb, Lucius als Belohnung für seine treu sorgende Pflege Aurelias ein freier Mann sein würde.
Marcus saß da und kaute auf einem Stück Brot mit schwarzem Fett herum, während Lucius Gaius’ gebrochene Nase wieder richtete.
»Dann hat dich Suetonius also wieder verprügelt?«, fragte er.
Gaius konnte nichts sagen und nickte nur. Seine Augen tränten so stark, dass er auch nichts sehen konnte.
»Du hättest auf mich warten sollen. Dann hätten wir ihn gemeinsam fertig gemacht.«
Gaius konnte nicht einmal nicken. Lucius tastete gerade nach einem Stück Nasenknorpel, fand es und zog kräftig an der Nase, um das lose Stück wieder an die richtige Stelle zu schieben. Neues Blut rann über die noch frischen Blutkrusten des heutigen Kampfes.
»Bei allen verdammten Tempeln, Lucius, pass doch auf! Du reißt mir ja die Nase ab!«
Lucius lächelte und begann, Leinen in Streifen zu
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