In den finsteren Wäldern (German Edition)
Laymons als Schriftsteller sein: Laymon war lediglich mehr daran interessiert, seinen Lesern eine Heidenangst einzujagen und ihnen ein wildes, unterhaltsames Vergnügen zu bereiten, als Charakterstudien anzufertigen. Laymon bevölkerte seine Geschichten mit Alltagspersonen – oft banal und mit Fehlern behaftet, wodurch man umso besser nachvollziehen kann, was sie durchmachen. In den finsteren Wäldern ist ein großartiges Beispiel dafür. Sowohl Neala als auch Sherri sind gewöhnliche Leute, die in eine Welt blanken Grauens gestürzt werden, genau wie die Familie Dills. Jede dieser Personen könnten auch Sie oder ich sein. Wenn wir die schrecklichen Dinge lesen, die sie durchmachen, fühlen wir uns ihnen daher verbunden – das Grauen widerfährt uns selbst.
Auch die Ortschaft und die umliegenden Wälder werden nur spärlich beschrieben, doch so wie bei den Protagonisten ist das alles, was wir brauchen. Die Lücken füllt der Leser selbst – so wird die Geschichte umso lebendiger. Nach den beiden ersten Kapiteln sind wir mit den Hauptprotagonistinnen vertraut, haben ein gutes Gefühl für das Umfeld und unser Magen ist vor angespannter Erwartung verkrampft. Nur zwanzig Seiten haben uns völlig in diese Welt mit ihrer einsamen Ortschaft, deren niederträchtigen Bewohnern und den unglückseligen Protagonisten hineingesogen. Die Leser auf Anhieb und so mühelos zu fesseln, war etwas, das Laymon immer wieder gelungen ist – eine seltene Gabe unter Schriftstellern, erst recht unter Horrorschriftstellern. Und keiner von Laymons Romanen stellt das besser unter Beweis als In den finsteren Wäldern (außer vielleicht Die Jagd, ein Buch, das mit einer der heftigsten und verstörendsten Eröffnungssequenzen aufwartet, die ich je gelesen habe).
In den finsteren Wäldern glänzt nicht nur durch rasantes Tempo und einen wunderbar knappen Stil, sondern strotzt zudem vor Schrecken und düsterer Atmosphäre. Laymon war ein Meister, wenn es darum ging, Stimmung zu schaffen. Er konnte Szenen, manchmal ganze Kapitel schreiben, die einem kalten Schweiß auf die Haut trieben und das Herz zum Hämmern brachten; Szenen, die einen noch lange begleiten, nachdem man das Buch geschlossen und beiseitegelegt hat. In In den finsteren Wäldern gibt es zwei Szenen, die mir seit dem ersten Lesen des Romans vor fast zwanzig Jahren im Gedächtnis geblieben sind.
Bei der ersten werden die Protagonistinnen tief in die Wälder gebracht und an abgestorbene Bäume gefesselt, um auf die gefürchteten Krulls zu warten. Schon bis dahin hat Laymon eine Menge Spannung geschaffen (gewürzt mit einigen makabren Elementen wie der beinlosen Kreatur, die beide Mädchen mit einer abgetrennten Hand bewirft, und dem eitrigen Auge, das Lander hinter einer Tür hervor beobachtet). Wir rechnen also bereits damit, dass den Protagonistinnen, die uns ans Herz gewachsen sind und mit denen wir uns identifizieren, etwas Übles widerfahren wird. Aber als die Bewohner der Ortschaft Neala und Sherri in den Wald bringen und an die Bäume fesseln, schraubt Laymon das Grauen höher, denn wir erkennen, dass die Einwohner von Barlow zwar schlimm sind, es jedoch draußen in der Wildnis noch weit Schlimmeres gibt, was die Protagonisten erwartet. Betrachten wir diese Szene, in der Neala und Sherri zum ersten Mal bei den Bäumen eintreffen:
Auf der Lichtung stand eine Reihe von sechs Bäumen. Neala starrte sie an. Sie ragten hoch auf und besaßen dicke Stämme. Die hoch gelegenen Äste, die sich im Mondlicht abzeichneten, waren völlig kahl.
Was sie nicht sein sollten – nicht im Sommer. Sie sollten vor Blättern strotzen, die im Wind zitterten.
Die Bäume sind tot , erkannte Neala.
Sechs tote Bäume in einer Reihe.
Diese Szene veranschaulicht Laymons knappen Schreibstil, bei dem weniger mehr ist, und seine bemerkenswerte Fähigkeit, Atmosphäre und ein Gefühl der Beklommenheit zu schaffen – und all das mit nur wenigen Sätzen. Und weil wir uns bereits mit Neala identifizieren, fühlen wir ihre Angst umso stärker, als sie mit den Bäumen konfrontiert wird und erkennt, welches Schicksal ihr droht.
Eine weitere Szene, die sich mir ins Gehirn gebohrt hat wie eine rostige Spitzhacke, ist die, in der Neala, Sherri und Robbins auf die Hütte stoßen, die ein Meer von Pfählen mit daran aufgespießten Köpfen umgibt. Schon dieses Bild allein ist grauenvoll, aber Laymon steigert das eklige Szenario noch, indem sich die drei einen Weg durch das Feld der Pfähle bahnen müssen, um
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