In der Südsee
schönste Zeit seiner freiwilligen Verbannung, über die sich leider in seinem Tagebuch keine Aufzeichnungen fanden: der Dichter war von der Großartigkeit derInseln so überwältigt, daß er die Niederschrift seiner Erlebnisse versäumte und statt dessen seine epischen Werke wesentlich förderte. Am Weihnachtstag 1888 nahm die »Casco« ihre Passagiere wieder auf und führte sie gen Honolulu, von wo Stevenson Molokai besuchte, die Insel der Leprakranken, aber auch hierüber fehlt ein Bericht, und man ist auf vereinzelte Briefe angewiesen, die er damals an seine Frau und zwei Freunde richtete.
In den folgenden Monaten wurde eine Fahrt vorbereitet in solche Gebiete, die möglichst unberührt waren von jeder Zivilisation, und im Juni 1889 trug der kleine Handelsschoner »Equator« die Reisegesellschaft zu den Gilbertinseln dicht am Äquator. Jener Teil der Tagebücher, der sich mit den Zuständen und Menschen auf diesen Koralleninseln beschäftigt, gehört ohne Zweifel zu den interessantesten und lebendigsten Partien des vorliegenden Werkes. Namentlich das groß angelegte Porträt des Königs Tembinok' von Apemama übertrifft an Farbigkeit alles, was in Stevensons Aufzeichnungen vorgefunden wurde. Vier Jahre später hatte sich auf den Inseln Butaritari und Apemama alles geändert, Tembinok' war gestorben, die Gilbertinseln waren von England annektiert worden, und ein Knabe spielte den Herrscher unter der Leitung eines britischen Residenten. Stevensons Bericht hat also eine einzigartige völkerkundliche Bedeutung.
Der Schoner setzte Anfang Dezember 1889 seine Reise fort nach Samoa und traf am 7. Dezember in Apia ein, der Hauptstadt von Upolu. Hier versuchte Stevenson alles Material zu sammeln, das ihm als Unterlage dienen sollte für seine umfassende Arbeit überdiesen Teil der Südsee, und er entschloß sich zu einer besonderen Veröffentlichung unter dem Titel »A Footnote to History«, die viel Staub aufwirbelte und in Deutschland später verboten wurde, aber die grundsätzlichen Bemerkungen über die Behandlung der Eingeborenen haben sich im Verlauf der Jahrzehnte als unanfechtbar richtig erwiesen. Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, daß der deutsche Generalkonsul Dr. Stübel zu den vertrautesten Freunden Stevensons gehörte und von ihm als der fähigste und einsichtsvollste Diplomat der Großmächte in der Südsee bezeichnet wurde.
Das Heim, das Stevenson nach seiner Rückkehr in Madeira geplant hatte, wurde nun in Samoa errichtet, er kaufte Land in der Nähe Apias, bevor jedoch der dichte Busch gerodet und die Fundamente gelegt werden konnten, reiste er wieder fort, besuchte Australien und später viele ihm noch unbekannte Südseeinseln, bis er 1891 ernstlich seinen Plan zur Ausführung brachte und sein Haus auf der Insel Upolu bauen ließ: der entscheidende Wendepunkt seines Lebens, das allerdings nur noch etwa drei Jahre währen sollte. Ein Freund schrieb ihm aus England: »Seit Byron in Griechenland war, hat nichts auf die Literaten einen so tiefen Eindruck gemacht wie Ihr Aufenthalt in der Südsee.« Der Dichter nannte seinen Besitz »Vailima«, »Fünfwasser«, weil er im Gebiet von fünf Flüssen lag, und die Eingeborenen gaben dem Dichter den Namen »Tusitala«, Geschichtenerzähler. Der Platz lag ungefähr drei Meilen von der Küste entfernt und sechshundert Fuß über dem Meeresspiegel, durch das Gelände führte ein Weg, den befreundete Häuptlinge mit ihreneigenen Händen herrichteten, und den sie »Ala Loto Alofa«, »Weg des liebenden Herzens«, nannten. Rund um das dunkelgrün gestrichene Holzhaus herrschte tiefe Stille, von fernher drang das leise Rauschen der Brandung, und man kann sich schwerlich einen friedlicheren Ort in der weiten Welt vorstellen als Stevensons Waldheim auf Upolu. Häuptlinge und Weiße suchten ihn häufig auf, um seinen Rat einzuholen, man nannte sein Heim »das Haupthaus der Weisheit«.
Das Klima Samoas schien Stevenson zu kräftigen, er verlangte nicht mehr volle Gesundung, sondern war zufrieden mit der Möglichkeit, sein dichterisches Werk zu fördern. Die Lungenschwindsucht kam zum Stillstand, er war imstande eifrig zu schreiben und vermißte nur seine englischen Freunde und die heimatliche schottische Landschaft, so daß ihn nicht selten die schmerzlichen Empfindungen eines Verbannten überfielen. Seine Vailima-Briefe legen von dieser Sehnsucht nach der alten Heimat beredtes Zeugnis ab. Aber alles in allem hatte er endlich nach langen Wanderungen
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