In unsern Traeumen weihnachtet es schon
wartet siegessicher auf die Äußerung des Beifalls, den seine Großmut erwecken muß.
»O du, Toni!« will Susanne ausrufen, aber mitten im Satz kippt ihre Stimme um; es schießt ihr heiß in die Augen, und ihr Näschen rötet sich. Sie nimmt den edlen Spender beim Kopf und drückt einen Kuß auf seinen Scheitel, und Toni, offenbar ungemein geschmeichelt und gerührt, packt ihre kleine Rechte und küßt sie zärtlich. Dann läßt er noch eine Anpreisung und Gebrauchsanweisung seiner Gaben folgen: »’s alles gut. Alles vom Christkindel. Sie kann alles essen, auch die Nuß. Aber schad wär’s halt.«
Damit empfiehlt er sich.
Das Fräulein ist wieder allein. Süße, schöner denn je belebte Einsamkeit! …»O du, Toni!« und: »Nein, das Kind!« sagt sie unzähligmal. Da hat sie nun die erste Christbescherung erhalten in ihrem ganzen Leben, und das macht ihr einen Eindruck … sie wird ganz töricht, als sie sich Rechenschaft von ihm geben will … Es ist ein himmelblauer Eindruck, meint sie und lacht und strickt dazu. Himmelblau mit goldenen Sternchen, und stellenweise, wo er durchsichtig wird, guckt ein wehmütig grauer Hintergrund heraus. Musik ist auch dabei, die Sternchen klingen. Ein wenig verrücktdiese Idee … sei’s darum! Nach einem außerordentlichen Ereignis hat man eben andre als Werkeltagsgedanken – und was fährt Susannen nicht alles durch den Kopf! Viel angenehmer Unsinn, an den sie beileibe nicht glaubt, den sie sich aber doch vorspiegeln läßt von Dame Phantasie, weil die heute so gut bei Laune ist. Wenn ein Kind das Herzensbedürfnis empfand, dich zu beschenken, spricht die alte, ewig junge Faslerin, warum sollten nicht auch Erwachsene es empfinden? Warte nur, was heute noch alles kommt!
Susanne überlegt: Was sollte kommen? Wer sollte mir etwas schenken? Der es tun könnte, der Vetter, ein Familienvater, hat andere Sorgen – und meine übrigen Bekannten sind arme Leute.
Das macht nichts, auch die können geben. Die Blumenresel zum Beispiel, die gerade jetzt, dank deiner Verwendung, dreißig Jubiläumssträuße in der Singerstraße abzuliefern hat, könnte wohl im Vorübergehen eine schöne, frische Rose für dich abgeben. Sie brauchte sich deiner nur zu erinnern, wie der kleine Toni sich deiner erinnert hat … Und der Buchbinder Hasse in Lerchenfeld, für den du den Mietzins erlegtest, und der aus Abschnitzeln so allerliebste Notizbüchelchen macht. Ein Dutzend davon hast du ihm abgenommen und gleich verschenkt bis auf eines, das du, kindische, alte Person gar zu gern selbst behalten hättest, das rehbraune mit dem vierblättrigen Klee. Du überwandest diese Regung des Geizes, denn Rosi lechzte ja förmlich nach dem Büchlein, im Interesse ihres Liebhabers, ohne Zweifel. Wenn nun dem guten Hasse einfiele, was dem Kunzel-Toni eingefallen ist, daß auch du am Christabend etwas haben sollst, wenn der Meister ein solches Büchlein brächte oder schickte durch die Post … Es wäre noch Zeit, eben schlägt’s sieben, da kommt der Briefträger ins Haus …Kling! Kling! O Tag der Wunder! Werden Hirngespinste zu Erlebnissen?
Es hat wieder geläutet: Rosi geht die Haustür öffnen und schreit so laut auf, daß man’s deutlich bis ins Zimmer hört:
»Jo wos denn? No, so wos … « Und schon wirbelt sie herein, und ihr auf dem Fuße folgt ein Kommissionär, dessen Gesicht gerötet und dessen Gang etwas schwankend ist. Er trägt ein mit winzigen Kerzen bestecktes, mit dem feinsten Konfekt behangenes Christbäumchen.
Susanne starrt und starrt und bringt keine Silbe über die Lippen. Um so beredter ist Rosi, die spricht ohne Aufhören: »Von der Freyung Nummer sechzehn is er geschickt, sogt er. No joh, vom Herrn Vetter, und i sog’s holt – die Herrschoften … ’s is lang nix kommen, ober wenn emol wos kommt, kommt wos rechts. Do stellen S’ es her auf’n Tisch, ’s Christbäumerl.«
Merkwürdigerweise zögert der Kommissionär, er sieht sowohl Rosi wie Susanne betroffen an und sagt, er habe den Auftrag, das Präsent dem Fräulein persönlich zu übergeben. Die Versicherung Rosis, das Fräulein stehe vor ihm, will ihm nicht ein leuchten. Fräulein Rainer mit einem A sei ihm gesagt worden.
»Reiner mit E«, berichtigt Susanne, und er wiederholt:
»Mit E?« und stellt das Bäumchen auf den Tisch, um in seiner Tasche nach dem Adreßzettel zu suchen, den ihm sein Auftraggeber eingehändigt hat. Rosis Geduld jedoch ist erschöpft. Sie nimmt den Mann bei den
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