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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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genommen hatte, was er als seinen Besitz betrachtete, und dabei Albert gezeugt hatte. »Er dachte jedenfalls, Albert sei sein Sohn. Aber vor ein paar Wochen hat er Ellis Tagebuch gefunden und die Wahrheit herausgefunden. Anscheinend hat Elli das selbst lange nicht gewusst. Erst als Alberts musikalische Begabung erkennbar wurde, da ist wohl der Groschen bei ihr gefallen.«
    Caroline rieb sich die Schläfen. »Albert ist … er ist Peters Sohn?«
    Babs blickte auf. »Du hast das gewusst?«
    »Nein.« Caroline begann etwas von einem Tagebuch zu erzählen, von dem Elli gewollt hatte, dass Caro es vernichtete. Babs verstand zwar, worauf das hinauslief, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften ab. Wieder sah sie sich nicken.
    Es war dieser Moment gewesen, in dem sie sich entschieden, in dem sie sich gegen ihren Mann gestellt hatte. Der Augenblick, in dem sie sich zur Zeugenaussage bereit erklärt hatte. Sie musste nicht für alles Verständnis aufbringen. Wie ließen sich Alberts Taten erklären, rechtfertigen oder gar entschuldigen? Er hatte seinen Vater qualvoll sterben lassen, seinen Bruder kaltblütig ermordet und auch sie selbst … Babs’ Schultern versteiften sich. Wieder spürte sie das Messer am Hals, fühlte, wie die Klinge … Mit einer hastigen Bewegung verscheuchte sie das Bild und fegte beinahe das Glas vom Tisch. Marc erwischte es gerade noch.
    »Entschuldige. Ich bin ziemlich fertig.« Sie wollte nur noch alleine sein. Aber Caro hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was geschehen war, also riss Babs sich zusammen und fuhr fort. Sie berichtete, wie Wolfram die Wahrheit entdeckt und sich nach längerem Kampf dazuentschlossen hatte, den Schein zu wahren. Mit Albert konnte er Staat machen, mit Bertram nicht. Er war vorbestraft, ein Verbrecher und doch sein einziger Sohn. Als dieser dann zum Grillen kam und beide die Ähnlichkeiten in ihren Lebensläufen bemerkten, musste das in Wolfram einen Prozess in Gang gesetzt haben. Denn als er einen Tag später, boshaft und berechnend, Albert zu sich zitierte, um bewusst seine Macht über ihn auszuspielen und ihm den Hochzeitstag zu versauen, da hatten sich seine Gefühle zu ihm bereits gewandelt. Aus der Liebe war Verachtung geworden. Aber vermutlich hatte er Albert nie geliebt. Er war bloß die Trophäe im Sieg über seinen Nebenbuhler gewesen, der lebende Beweis seiner Macht, der sich nun in das Gegenteil verkehrt hatte: in das höhnische Zeugnis, ein Leben lang an der Nase herumgeführt worden zu sein.
    Für einen Augenblick stockte Babs. Trotz aller Erklärungen war es unfassbar. Die Worte ergaben zwar einen Sinn, stellten Kausalität her, aber sie stapelten sich wie Granitblöcke, die alle Liebe und Menschlichkeit, jegliches Mitgefühl erdrückten und sich am Ende zu einem Monument der Egozentrik fügten. »Er hat Albert beschimpft und sich über ihn lustig gemacht. Ausgerechnet über ihn, der ihn geliebt und bewundert hat, der alles für ihn aufgegeben hat, was ihm je wichtig war.« Ein Vorwurf hatte sich in ihre Stimme geschlichen. »Warum hat nie jemand über dieses Wochenende gesprochen? Ich wusste bis heute nicht, dass Albert Geige gespielt hat und dass Wolfram ihn um Haaresbreite hätte sterben lassen, weil er die Musik nicht aufgeben wollte.«
    Caro strich sich die Haare mit beiden Händen straff aus dem Gesicht und stützte die Ellenbogen auf. »Wahrscheinlich haben wir das verdrängt, wie einen bösenTraum. Albert selbst hat ja nie wieder ein Wort darüber verloren. Er hat die Geige weggepackt, und ich habe sie nur noch ein Mal gesehen, als ich Mutter geholfen habe, die Wintersachen wegzuräumen. Da lag der Instrumentenkoffer ganz hinten in ihrem Kleiderschrank.«
    Der Schmerz in Babs’ Kopf, der sich schon seit Stunden mit einem leichten Stechen bemerkbar machte, verstärkte sich. Ein heißes Bad, ein Aspirin und eine Schlaftablette und dann ins Bett, die Decke über den Kopf. Sie wollte nach Hause, aber vorher musste sie das hier zu Ende bringen. Sie berichtete Caroline noch, wie es zwischen Albert und Wolfram zum Streit gekommen war, was Albert daraufhin getan und weshalb er es eine Woche lang nicht geschafft hatte, nach Wolfram zu sehen. »Er ist erst gefahren, als Frau Kiendel ihn zweimal darauf angesprochen hat. Aber vorher hat sich Bertram besorgt bei ihr nach Wolfram erkundigt.«
    »Bertram?«
    »Er muss kurz vor Albert zum Wochenendhaus gekommen sein und ist zum Küchenfenster raus, als er ihn gesehen hat. Mit seinem

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