Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
zum Weiteressen animiert. Es erhöht beim Essen den Appetit auf mehr. Während für die Einzelsubstanzen Glutamat und Zucker klar nachgewiesen ist, dass sie den Appetit steigern und dass Zucker sogar ein Suchtpotenzial hat, ist die Kombination von verschiedenen Nahrungsbestandteilen im richtigen Verhältnis noch verlockender.
Die Kombination von Zucker und Fett ist ein gutes Beispiel. Würden Sie 50 Gramm Zucker und 50 Gramm Fett mit Genuss verspeisen, wenn vor Ihnen zwei Teller stünden? Kombiniert man diese Inhaltsstoffe zu einer Tafel Schokolade oder 100 Gramm Schokocreme, würde der gleiche Auftrag für viele Menschen kein Problem darstellen. Niemand löffelt Zucker aus der Tüte, wohl aber die fett- und zuckerhaltige Schokocreme aus dem Glas. Das Gleiche gilt für die Kombination aus Fett, Kohlenhydraten und Salz, wie man sie in vielen salzigen Snacks vorfindet.
Schmackhaftigkeit ist eine Frage der genauen Abstimmung: Ist das Produkt zu süß oder zu fettig, schmeckt es nicht mehr. Beim Salzgehalt ist dieser sogenannte Kulminationspunkt schnell erreicht, während Menschen beim Zuckergehalt deutlich toleranter sind. Ein versalzenes Essen können wir gar nicht mehr genießen, eine als zu süß empfundene Nachspeise schmeckt trotzdem noch. In der richtigen Zusammensetzung sind Zucker, Fett und Salz sind Trigger für das Mehressen. Da die Industrie das weiß, benutzt sie diese Bestandteile im exakt richtigen Mengenverhältnis.
Bei Tieren kann man messen, wie interessiert sie an einem Futter sind. Man bringt Ratten dazu, einen Hebel zu drücken, um eine Belohnung zu erhalten. Möchte man wissen, wie interessiert die Ratte an der Belohnung ist, erhöht man einfach den Aufwand für das Tier: Für die nächste Belohnung muss es den Hebel mehrfach drücken. Wie oft drückt die Ratte den Hebel, um an die Belohnung zu gelangen? Mit solchen Experimenten kann man genau ermitteln, wofür die Ratte sich am meisten engagiert. In diesem Experiment schlägt die Kombination aus Zucker und Fett die Einzelbestandteile: Eine gezuckerte Kondensmilch ist bei Ratten wesentlich beliebter als die ungesüßte Variante.
Die verschiedenen Neuronen des Gehirns reagieren jeweils auf unterschiedliche Signale. Es gibt Neuronen, die auf Zucker konditioniert sind, andere auf Geruch, Anblick oder Temperatur. Weitere Neuronen reagieren auf die Geschmacksqualitäten auf süß, salzig, sauer oder bitter. Zusätzlich gibt es eigene Nervenzellen, die auf Geschmackskombinationen ansprechen.
Für Dinge, die das Gehirn unbedingt haben möchte, wird man sofort belohnt, sobald man einen Weg in die richtige Richtung macht. So reicht der Anblick einer leckeren Speise, um uns in Aktion zu versetzen. Möchten wir widerstehen, so kostet das den Einsatz von Willenskraft. Wird die Ratte durch ein Lebensmittel stark belohnt, so ist sie bereit, dafür härter zu arbeiten und einen Hebel auch 30 mal zu drücken. Beim Verzehr der Kombination aus Fett und Zucker wird auch das Glückshormon Serotonin im Gehirn ausgeschüttet. Schokolade macht zufrieden und glücklich, zumindest bis unser Gehirn die nächste Portion verlangt.
Auch die Kombination von Zucker und Alkohol stimuliert das Belohnungszentrum des Menschen stärker als die Einzelsubstanzen. Alkohol wirkt als Droge auch ohne Zucker auf das Gehirn, aber in Kombination mit Zucker ist das Getränk noch verführerischer. Menschen, die selten Alkohol trinken, geraten durch süße Cocktails in die Falle, dass sie mehr trinken, als ihnen gut tut.
Dynamische Neuerung
Ein Widerspruch im Lebensmittel erzeugt einen Effekt, den die Industrie als dynamische Neuerung bezeichnet. Süß in Begleitung der Schärfe von Alkohol, süß-sauer oder auch bitter-süß sind Kombinationen, die durch die widersprüchliche Mischung Genuss bringen. Eine kleine Menge Zucker in der herzhaften Speise verbessert den Geschmack, genau wie die winzige Menge Salz den süßen Schokoladen-Cookie noch leckerer macht. Die weichen Brötchen für Burger enthalten ebenfalls Zucker, zusammen mit dem süßen Ketchup wird ein herzhaft-süßes Produkt erzeugt, das über die Gurke noch eine saure Komponente erhält. Senf und Zwiebel bringen zusätzliche Geschmackskomponenten, alle präsent, keine zu aufdringlich. So erzeugt man durch Ansprache aller Nervenzellen ein optimales Geschmackserlebnis. Und dass dies funktioniert, zeigen die steigenden Umsatzzahlen der Fast Food-Industrie.
Je komplexer ein Lebensmittel aufgebaut ist und je mehr Sinne es
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