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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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Gefühl, sie retten zu müssen … sie alle retten zu müssen. Die emporragenden Beinpaare der eingegrabenen Gestalten erschlafften, eines nach dem anderen.
    Wer bist du? , rief er im Geiste nach der Frau. Was willst du von mir?
    Ihr dichtes silbernes Haar wehte in einer heißen Brise, und sie berührte das Amulett an ihrer Halskette. Die Zeit drängt , flüsterte sie. Ohne jede Vorwarnung ging sie in einer blendend grellen Flammensäule auf, die über den Fluss wehte und sie beide umfing.
    Langdon stieß einen erschrockenen Schrei aus und riss die Augen auf.
    Dr. Brooks musterte ihn besorgt. »Was ist?«
    »Ich habe immer wieder diese Halluzinationen!«, rief er. »Jedes Mal die gleiche Szene!«
    »Die silberhaarige Frau? Und all die vielen Toten?«
    Langdon nickte. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen.
    »Sie werden wieder gesund«, sagte Dr. Brooks beruhigend. »Wiederkehrende Halluzinationen sind völlig normal bei Amnesien. Die Hirnfunktionen, die Ihre Erinnerungen sortieren und katalogisieren, sind vorübergehend durcheinandergeraten, und deswegen wird alles in einem großen Bild vermischt.«
    »Kein sehr schönes Bild«, stieß er hervor.
    »Ich weiß, aber bis Sie wieder gesund sind, werden Ihre Erinnerungen durcheinander und wirr sein, Vergangenheit, Gegenwart und Imagination, alles zusammen. Das gleiche geschieht übrigens auch in Träumen.«
    Der Aufzug hielt ruckend an, und Dr. Brooks zog die Falttür auf. Dann stolperten sie weiter, einen dunklen, schmalen Korridor entlang. Sie passierten ein Fenster. Draußen tauchte die Silhouette von Florenz langsam im ersten fahlen Licht der Morgendämmerung auf. Am anderen Ende des Korridors bückte sich die junge Ärztin, nahm unter dem Topf einer durstig aussehenden Pflanze einen Schlüssel hervor und schloss damit die Tür vor sich auf.
    Die Wohnung dahinter war winzig. Die Luft roch nach altem Teppichboden und einer mit Vanille aromatisierten Kerze. Das Mobiliar war bestenfalls als spärlich zu bezeichnen – zusammengewürfelt, als stammte es von einem Flohmarkt oder einem Hinterhofladen. Dr. Brooks drehte an einem Thermostaten, und die Radiatoren erwachten laut zum Leben.
    Sie blieb einen Moment stehen, schloss die Augen und atmete tief durch. Dann drehte sie sich um und half Langdon in eine bescheidene Kochnische mit einem Resopaltisch und zwei wackligen Stühlen.
    Langdon machte einen Schritt auf einen Stuhl zu, um sich zu setzen, doch Dr. Brooks packte ihn mit einer Hand beim Arm, während sie mit der anderen eine Schranktür öffnete. Der Schrank war fast leer … ein paar Cracker, ein paar Beutel Pasta, eine Dose Cola und eine Flasche NoDoz .
    Sie nahm das NoDoz und schüttete Langdon sechs Kapseln in die Hand. »Koffein«, sagte sie. »Ich nehme es, wenn ich Nachtschicht habe wie heute.«
    Langdon steckte sich die Kapseln in den Mund und sah sich suchend nach einem Schluck Wasser um.
    »Sie müssen sie kauen«, sagte sie. »Dann geht das Koffein schneller ins Blut und hilft, das Sedativum zu neutralisieren.«
    Langdon zerbiss die Kapseln und verzog das Gesicht. Sehr bitter. Das Medikament war eindeutig dazu gedacht, unzerkaut eingenommen zu werden. Dr. Brooks öffnete den Kühlschrank und reichte Langdon eine halbleere Flasche San Pellegrino. Dankbar trank er einen großen Schluck.
    Die Ärztin griff nach seinem rechten Arm und löste den improvisierten Verband, der einmal Langdons Jacke gewesen war. Dann untersuchte sie die Wunde behutsam. Langdon spürte das Zittern ihrer schlanken Hände.
    »Sie werden es überleben«, verkündete sie.
    Langdon hoffte, dass das auch für die junge Ärztin galt. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was ihnen beiden in der letzten halben Stunde widerfahren war. »Hören Sie, Doktor«, sagte er. »Wir müssen jemanden anrufen. Das Konsulat … die Polizei, ich weiß nicht. Irgendwen.«
    Sie nickte zustimmend. »Und Sie können aufhören, mich Dr. Brooks zu nennen. Ich heiße Sienna.«
    Langdon nickte. »Danke. Ich heiße Robert.« Die Bindung, die sie bei der gemeinsamen Flucht um ihr nacktes Leben eingegangen waren, war ganz sicher Rechtfertigung genug dafür, sich mit Vornamen anzureden. »Sie sind also Britin?«
    »Ich bin in Großbritannien geboren, ja.«
    »Sie haben keinen Akzent.«
    »Das ist gut«, antwortete sie. »Ich habe hart daran gearbeitet, ihn loszuwerden.«
    Langdon wollte schon nach dem Grund dafür fragen, doch Sienna bedeutete ihm mitzukommen. Sie führte ihn durch eine

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