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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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ich Jan bin, nicht lan. Dann fanden sie aber heraus, dass ihr unsere Staatsangehörigkeit widerrufen habt, und das machte sie erst richtig sauer! - >Drückeber-ger<, beschimpften sie mich, >Hosenscheißer, du hast dein Land im Stich gelassen!< Sie haben mich angesehen wie ein Versuchstier auf dem Seziertisch, und mir wurde kalt, als mir dämmerte, dass alles, was ich euch nicht glauben wollte, wahr sein musste.« »Nicht einmal im Traum wäre mir eingefallen, dass so etwas passieren kann«, warf lan ein, »mein Gott, ich wünschte, ich hätte es verhindern können.«
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    »Die Zellentür krachte hinter mir zu. Das war der schrecklichste Ton, den ich in meinem bisherigen Leben gehört hatte, und der weckte mich endlich auf, und ich schlüpfte in meinen Körper zurück. Ich sah mich einem Ring von Gesichtern gegenüber. Einige waren weiß, die meisten schwarz, ein paar braun wie Milchkaffee, alle aber hatten den Ausdruck von Schlangen, die ihr Opfer betrachteten. >Hi<, erreichte ein weicher Singsang meine Ohren, >hi, ich bin Venus^ Und dann schob sich ein schönes Gesicht an mich heran, goldbraun, edel geschnitten, umrahmt von blauschwarzen Haaren. Venus war ein Inder, zierlich wie eine Frau, und seine blauen Augen waren kälter als Splitter aus Eis. Er lächelte, und ich sah, dass alle seine Zähne zu rasiermesserscharfen Spitzen geschliffen waren ...« Jan schwieg, offensichtlich verloren in der Vergangenheit, lan und sie saßen stumm und starr, sie berührten sich nicht, jeder litt für sich allein.
    Jans Atem rasselte in seinen Lungen, als er tief durchatmete. »Die angespitzten Zahnreihen erinnerten mich an die Tigerfallgruben im alten Indien, er grinste mich zähnefletschend an, und dieser grässli-che, nervzerfetzende, betörende Singsang, der aus Venus' Kehle zusammen mit dem Gestank seines verrotteten Mageninhalts entwich, schwebte vor mir wie eine giftige Wolke, und mir wurde unbeschreiblich übel, die Welt drehte sich in rasender Geschwindigkeit um mich, ein irrwitziges Kreischen zerriss mir das Zentrum meines Gehirns, Flecken tanzten vor meinen Augen. Ich war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Mit ungeheurer Willensanstrengung zwang ich mich, tief und ruhig zu atmen, bis die Flecken verblassten, die Übelkeit wich.«
    Er setzte sich wieder hin. »Ich erinnere mich genau. Ich fühlte einen unerträglichen, brennend heißen Druck auf meiner Blase und hatte das Bedürfnis, mich in die tiefste, verborgenste Höhle zu flüchten, alles um mich herum auszublenden, mich zusammenzurollen und zu warten, bis ich aus diesem Albtraum aufwachte. Nie hatte ich es für möglich gehalten, jemals von einer solchen Angst besessen zu sein!« Er unterbrach seine Erzählung immer wieder, schien Mühe zu haben,
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    das Erlebte in Worte zu fassen. »Dann hörte ich das irre Gekicher von Venus und sah, dass sein Eisblick an einem Fleck zwischen meinen Beinen klebte.
    Entsetzt merkte ich, dass ich mir in die Hose gepinkelt hatte. Und dann -
    endlich - stieg wieder diese herrliche Wut in mir auf, und ich dachte: nein, das nicht! Ich blickte in dieses schöne Gesicht, hob das Knie, rammte es Venus zwischen die Beine, und als der vornüber zusammenklappte, gab ich ihm einen Kinnhaken. Venus wand sich vor Schmerzen wimmernd am Boden, die anderen standen erstarrt daneben. Ich hob meine Hände, in der Art, wie ich das in Kung-Fu-Filmen gesehen hatte ...«Er krümmte demonstrativ seine Finger zu Krallen, bewegte sie zeitlupenlangsam hin und her. »>Ha!<, schrie ich dann und sprang auf die Männer zu ...« Er lächelte sie an. »Als ich ihre Lider flattern sah, hab ich mir vor Erleichterung fast noch einmal in die Hose gemacht. Um mich herum war plötzlich Platz. Einer von ihnen, ein Schwarzer mit Fäusten wie Vorschlaghämmer und einer tiefen, sahnigen Stimme, sagte ein paar Worte auf Zulu, und die lang gezogenen Vokale weckten eine längst vergessen geglaubte Erinnerung. Ich lauschte dem Klang der Worte. >Ibhu-besi<, hatte der Zulu gesagt, Löwe, und dann hörte ich eine andere Stimme, eine junge, hohe. >He, Ibhubesi<, schrie sie, und plötzlich war ich zurück im Busch mit Malabuli.
    Erinnert ihr euch?« »In Botswana?« lan lachte auf. »Die Episode werden wir wohl nie vergessen!«
    Sie waren in eins der Wildreservate irgendwo im südlichen Zipfel von Botswana gefahren und hatten Malabuli, den jüngsten Sohn von William, Granny von Plessings treuem Schatten, mitgenommen, der außer im Haus der Plessings noch nie woanders

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