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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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nachdachte, war Jude sicher, dass das körperliche Zusammensein ihrer Eltern ebenso wie die genannte Partnerwahl immer äußerst geschmackvoll und präzise verlief. Genau wie die sorgsam choreografierten, traditionellen Ballettvorführungen, die sie beide so gerne besuchten.
    Aber weshalb saß sie hier in einem gemieteten Volvo, dessen dämliches Lenkrad auch noch auf der falschen Seite saß, und dachte an das Liebesleben ihrer Eltern?

    Jude presste ihre Finger auf die Augen, bis das Bild allmählich verschwand.
    Das, sagte sie sich müde, war genau die Art von Bildern, die man sah, wenn man verrückt wurde.
    Sie atmete tief ein. Sauerstoff reinigte und beruhigte das Gehirn. So, wie sie die Sache sah, hatte sie folgende Alternativen: Entweder zerrte sie ihre Koffer aus dem Auto, ging zurück in den Dubliner Flughafen, drückte die Wagenschlüssel der Mietwagenfirma-Angestellten mit dem karottenroten Haar und dem kilometerbreiten Lächen wieder in die Hand und buchte sofort den Rückflug.
    Natürlich hatte sie keinen Job mehr, aber sie käme sicher eine Zeit lang mit ihren beachtlichen Ersparnissen zurecht. Auch ihr Apartment war sie los, da sie es für sechs Monate an dieses nette Pärchen vermietet hatte, aber wenn sie nach Hause zurückflöge, nähme bestimmt Oma sie erst mal bei sich auf.
    Und sähe sie mit ihren wunderschönen vergissmeinnichtblauen Augen traurig an. Jude, Liebling, du wagst dich immer nur bis an den Rand deiner Wünsche. Weshalb tust du nie den letzten, endgültigen Schritt?
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht.« Elend hob Jude die Hände vors Gesicht und wiegte sich müde hin und her. »Es war deine Idee, dass ich hierher fliegen sollte, nicht meine. Was soll ich denn während der nächsten sechs Monate im Faerie Hill Cottage, in deinem alten Häuschen auf dem Feenhügel, bitte anfangen? Ich weiß ja nicht mal, wie man dieses verdammte Auto steuert.«
    Noch eine weitere Klage und sie bekäme einen Heulkrampf. Sie spürte, wie das Wasser in ihrer Kehle aufstieg und wie es in ihren Ohren rauschte; doch ehe die erste Träne Gelegenheit hatte zu kullern, ließ sie den Kopf nach hinten sinken, kniff die Augen fest zusammen und verfluchte sich für ihren Mangel an Beherrschung. Heulkrämpfe, Wutanfälle,
Sarkasmus und andere Arten unerfreulichen Benehmens waren einfach verschiedene Wege, die Dinge zu dramatisieren. Auf Grund ihrer Erziehung und Ausbildung erkannte sie die Anzeichen. O nein, sie gäbe dem Aufruhr in ihrem Inneren nicht nach!
    »Das ist dann wohl jetzt das nächste Stadium, Jude, du jämmerliche Närrin! Sprichst mit dir selbst und sitzt jammernd in einem Volvo herum, weil du zu unentschlossen, verdammt, zu gelähmt bist, um den Schlüssel im Zündschloss herumzudrehen und ganz einfach loszufahren.«
    Vorsichtig atmete sie aus und straffte die Schulter. »Zweite Möglichkeit«, murmelte sie. »Führ zu Ende, was du nun mal begonnen hast.«
    Sie startete den Motor, sandte ein leises Stoßgebet gen Himmel, dass sie auf der Fahrt niemanden – auch sich selbst nicht – umbrächte oder verletzte, und rollte dann langsam vom Parkplatz auf die Straße.
     
    Um nicht jedes Mal zu schreien, sobald sie an einen der von den Iren so fröhlich »Rundherums« genannten Kreisverkehre gelangte, sang sie leise vor sich hin. Immer wenn ihr schwindlig wurde, sie mal wieder links mit rechts verwechselte und um ein Haar irgendwelche unschuldigen Fußgänger über den Haufen fuhr, sang sie, welches Lied ihr in ihrem Entsetzen auch momentan durch den Kopf schoss.
    Auf dem Weg von Dublin bis hinunter in die Grafschaft Waterford grölte sie Filmmusik, brüllte irische Trinklieder, und jaulte – infolge eines Beinahe-Zusammenstoßes kurz hinter Carlow – derart lautstark den Refrain von »Brown Sugar«, dass Mick Jagger, hätte er es gehört, sicher vor Neid erblasst wäre.
    Dann wurde der Verkehr ein wenig ruhiger. Vielleicht hatte sie mit ihrem Lärm die Götter des Straßenverkehrs ausreichend schockiert, sodass sie aufhörten, ihr andere
Wagen in den Weg zu schleudern – vielleicht aber war es auch der segensreiche Einfluss der allgegenwärtigen der Heiligen Jungfrau gewidmeten Mariensäulen – jedenfalls wurde das Fahren ein wenig angenehmer und Jude fing beinahe an, die Strecke und die Umgebung zu genießen.
    Woge um Woge grüner Hügel schimmerten im Sonnenlicht, das sich glühend wie das Innere einer Muschel weiter und weiter bis in die Schatten hoher Berge fortsetzte, diese

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