Isabellas Unterwerfung
besaß er eine kraftvolle, maskuline, elegante Ausstrahlung. Sicher, dieser Mann war Model und Paul ein hervorragender Fotograf, dem es wie immer gelungen war, etwas Künstlerisches aus dieser Szene zu machen, doch da war mehr, viel mehr. Dieses Bild, nein, alle Bilder beinhalteten Verheißung, Sehnsucht, Leidenschaft.
Morgen Abend war die Vernissage und Isabella dachte mit einer gewissen Unruhe daran. Die Presse benahm sich wie die Geier, seit durchgesickert war, dass die Eisprinzessin eine erotische Fotoausstellung organisierte. Bis morgen musste Isabella einen Weg finden, den Bildern gelassen gegenüberzutreten. Es galt, einen Ruf zu wahren: das Bild der emotionslosen Geschäftsfrau, das sie in den letzten Jahren perfektioniert hatte.
Seufzend stand sie auf, warf einen letzten Blick auf das Bild und ging noch einmal durch die Gänge. Die Idee mit dem Labyrinth gefiel ihr ausnehmend gut. Durch die Nischen und Winkel erhielt der Besucher beim Betrachten der Bilder eine Illusion von Privatsphäre. Isabella stand an der Eingangstür der Galerie und schmunzelte. Sobald das alles vorbei ist, gönne ich mir eine Massage und einen Wellnesstag, und dann werde ich wieder ruhiger. Sind die Bilder erst verkauft, kann ich mich auch nicht mehr von ihnen angezogen fühlen. Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick auf das erste Foto der Ausstellung. Es zeigte eine dunkelrote, aufgeblühte Rose von einem Berg aus Ketten umschlungen. Es war eines ihrer Lieblingsbilder, und sie überlegte, ob sie es nicht selbst kaufen sollte.
In der Eingangshalle ihres Hauses kam Clarence, der liebenswürdige alte Concierge ihr mit ausgestreckten Händen entgegen. „Isabella, meine Liebe. Machen Sie sich nicht so viele Sorgen. Ich bin davon überzeugt, dass auch diese Ausstellung ein Erfolg wird.“ Er ergriff ihre Hände und lächelte zuversichtlich.
„Ich mache mir keine Sorgen, Clarence. Die Bilder sind fantastisch. Paul ist ein begnadeter Fotograf. Ich habe mir nur noch mal alles angeschaut.“
„Sie wirken nervöser als sonst.“
„Die Presse wird mich in der Luft zerreißen. Ich habe noch nie eine Erotikausstellung ausgerichtet.“
„Die Presse hat keine Ahnung“, sagte Clarence im Brustton der Überzeugung.
Ein Lächeln glitt über Isabellas angespannte Züge. „Da haben Sie recht. Bei der letzten Ausstellung haben sie sich auch das Maul zerrissen und ich hatte trotzdem innerhalb von drei Wochen alle Bilder verkauft. Von echter Kunst verstehen die nichts.“
„Sehen Sie, Kunst ist Leidenschaft. Wenn sie dann noch Geld einbringt, ist das ein schöner Nebeneffekt.“
„Dieser Nebeneffekt bildet meine Lebensgrundlage“, lachte Isabella und ging in Richtung Aufzug.
„Ich wünsche Ihnen noch eine ruhige Nacht, Clarence. Wachen Sie gut über unsere Träume.“
„Das werde ich, Ms. Isabella. Schlafen Sie gut.“
Als sie am nächsten Vormittag die Galerie betrat, war Isabella noch angespannter, als in der Nacht zuvor. Geschlafen hatte sie fast gar nicht und dann war ihr doch noch der Schatten eines Mannes mit dunklen langen Haaren und nacktem Oberkörper erschienen und hatte sie mit schlagendem Herzen und Begehren aus dem unruhigen Schlaf gerissen. Ihr Körper war völlig verspannt, ihre Sinne überreizt und hinter ihren Schläfen pochte ein leichter Kopfschmerz.
Jesses Stimme erklang aus einer der Nischen. „Ein Stück höher. Ja, so ist es gut. Bloß nicht fallen lassen. Ja. Jetzt ist es perfekt.“ Überrascht, dass er überhaupt schon da war, wandte Isabella sich in Richtung der Stimme. Jesse Wheeler war ihr Partner in der Galerie und ihr bester Freund und eigentlich nicht als Frühaufsteher bekannt. Als sie um die Ecke bog, gefror ihr allerdings das Blut in den Adern. John und Jesse standen auf zwei Leitern, sich gegenüber, und befestigten eines der Bilder, ihr Bild, ihren halbnackten Mann. „Was wird das hier, wenn es fertig ist?“, fragte Isabella mit eisiger Stimme.
Jesse sah zu ihr herüber, mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Hi, Bell. Mir ist das nicht aus dem Kopf gegangen. Diese beiden Bilder gehören zusammen, und in die freie Nische habe ich das rote Foto gehängt. So stimmt der Zyklus und wir haben eine Einheit. Ich finde es so besser.“
„Ich nicht“, lautete ihre knappe und schroffe Antwort. Missgünstig starrte sie das zweite Foto an. Es zeigte einen großen, muskelbepackten Mann in schwarzer Lederkleidung und schwarzer Gesichtsmaske. Er stand über einer gebeugten Frau, deren langes
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