Isabellas Unterwerfung
Kapitel 1
Als würde sie etwas Verbotenes tun, schlich Isabella durch die Gänge der Galerie. Seit drei Nächten tat sie das jetzt schon, getrieben von einer Sehnsucht, die sie nicht kannte, die sie gleichermaßen beunruhigte und erregte. Lichtspots, die die Fotos in Szene setzten, warfen Schatten in die Zwischenräume, gaben Isabella bei ihrem nächtlichen Streifzug noch mehr das Gefühl, etwas Verwerfliches zu tun. Die Taschenlampe vor sich auf den Boden gerichtet, huschte sie zwischen den Stellwänden hindurch.
Zielstrebig suchte sie den Weg zu einem bestimmten Bild, das sie wie magisch in seinen Bann zog, vorbei an Szenen mit Bondageseilen, Frauen in Ketten, Männern in schwarzen Lederhosen und Masken. Krampfhaft versuchte Isabella, die Bilder auf ihrem Weg zu ignorieren, zu groß waren die Verwirrung und das Unbehagen, das sie bei manchen der Anblicke überkam. Zögerlich sah sie in die vorletzte Nische, als würde sie erwarten, nicht ein Bild, sondern einen Menschen vorzufinden. Sie fühlte sich wie ein Eindringling in ihrer eigenen Galerie. Aber es war nicht verboten, sich die Bilder anzusehen. Das hieß ja nicht, dass Isabella so etwas auch tun würde. Immer wieder sagte sie sich, dass nichts Anstößiges dabei war, sich von erotischen Fotografien inspirieren zu lassen, doch es half nichts. Sie plagte ein schlechtes Gewissen, und sie schämte sich. Schämte sich ihres Herzklopfens und der Sehnsucht, die in ihrem Magen tobte. Schämte sich für die Gier, die in ihr hochstieg, wenn sie das Bild ansah, vor dem sie jetzt auf dem Boden hockte.
Seufzend zog sie die Knie an den Leib, schlang die Arme um sie und starrte auf den nackten Männerrücken, der die Hälfte des Bildes einnahm. Langes schwarzes Haar war im Nacken des Mannes mit einem Lederband zusammengebunden und ergoss sich zwischen seinen Schulterblättern in einem dicken Strang. Isabellas Fingerspitzen begannen zu kribbeln. Jedes Mal übermannte sie der Wunsch, das Band zu lösen, das Haar durch ihre Finger gleiten zu lassen und es über seinen nackten Rücken auszubreiten. Aber es war nicht nur der Mann, der eine morbide Faszination auf sie ausstrahlte. Auf dem Bild war außerdem ein Gewölbekeller zu sehen, schummrig und düster, erhellt nur durch die Kerzen eines schmiedeeisernen Leuchters. An der hinteren Wand des Kellers befand sich ein Andreaskreuz. Lederschlaufen hingen an allen vier Enden, als würden sie jemanden erwarten, und daneben, in eisernen Haltern, befanden sich Schlagwerkzeuge, Peitschen, Gerten und Lederpaddel. Das Foto zeigte nichts und alles, überließ es dem Betrachter, in seiner verruchten Fantasie die Szene zum Leben zu erwecken. Nie und nimmer hatte Isabella damit gerechnet, dass sie über eben diese verruchte Fantasie verfügte.
Als Paul ihr vor zwei Monaten die ersten Entwürfe seiner neuen Arbeit präsentiert hatte, war sie überrascht, pikiert und doch fasziniert gewesen. Subtile erotische Bilder waren groß im Trend und Isabella hatte sich sofort einen satten Gewinn errechnet. Dass sie selbst in den Bann der Bilder gezogen werden könnte, wäre ihr im Traum nicht eingefallen. Vor zwei Wochen waren die Fotos in einem Format von ein mal ein Meter geliefert worden und seitdem begann sich ihre Welt zu verändern. Anfangs war es nur ein Blick, der länger an einer Szene haften blieb, dann wurden Minuten daraus, und seit ein paar Tagen schlichen sich die Bilder in ihre Träume. Dann war sie im Schutz der Dunkelheit in die Galerie zurückgekehrt, hatte sich verzaubern lassen und den Fotos einen immer größer werdenden Raum in ihrem Inneren zugestanden. Und nun hockte sie schon wieder auf dem Boden, starrte diesen fremden Mann an und genoss die subtile Gefahr, die das Bild ausstrahlte.
Sie streckte die Beine aus und stützte sich hinter dem Rücken ab.
Wie würde es sich anfühlen, sich diesem Mann auszuliefern, sich ihm hinzugeben? Noch nie hatte sie derartige Gedanken verspürt. Sex an sich hatte sie in den letzten Jahren nicht interessiert. Seit fünf Jahren war sie Single, und auch vorher war Sex keine Erfüllung für sie gewesen. Dass sie einen derartigen Hunger empfinden konnte, war ihr völlig neu und dann auch noch S/M. Bevor sie Pauls Bilder gesehen hatte, war S/M für sie etwas Perverses, Schmutziges, das nur Abartige taten. Es war ihr auch jetzt noch unvorstellbar, sich einem Mann völlig auszuliefern. Doch Pauls Fotos zeigten auch Schönes. Obwohl man von dem Mann nichts als seinen nackten Rücken sah,
Weitere Kostenlose Bücher