Ivanhoe
über die Brücke hinüberdrang, sobald das Tor geöffnet war. De Bracys Soldaten gaben den Kampf auf und wichen zurück. Einige baten um Pardon, andere leisteten noch vergebens Widerstand, die Mehrzahl ergriff die Flucht. De Bracy erhob sich vom Boden, sah seinem Sieger betrübt nach und sagte zu sich selber:
»Er traut mir nicht, aber habe ich denn auch sein Vertrauen verdient?«
Dann öffnete er das Visier zum Zeichen der Unterwerfung, hob sein Schwert auf und ging nach dem Außenwerk. Unterwegs begegnete er Locksley, dem er sein Schwert übergab. Das Feuer griff indessen schneller um sich, und bald drang es auch nach dem Räume, wo Ivanhoe von der Jüdin gepflegt wurde. Das Kampfgetöse erweckte ihn aus einem kurzen Schlummer, seine Pflegerin war seinen Bitten zufolge wieder an das Fenster getreten und hatte ihm alle Wendungen des Kampfes mitgeteilt. Darüber merkten sie eine Zeitlang nicht die erstickenden Dünste, die rings aufzusteigen begannen. Endlich drangen dicke Rauchwolken ins Zimmer, und an dem Geschrei nach Wasser, das sie durch das Getöse deutlich vernahmen, erkannten sie, wie groß diese neue Gefahr war.
»Das Schloß brennt!« rief Rebekka. »Was können wir tun, uns zu retten?«
»Flieh, Rebekka, und rette dein Leben!« sagte Ivanhoe. »Mir kann doch kein Mensch mehr helfen!«
»Ich fliehe nicht,« versetzte sie. »Entweder wir werden zusammen gerettet oder wir sterben zusammen. Und doch! mein Vater! großer Gott, was wird aus ihm!«
In diesem Augenblick sprang die Tür des Gemaches auf, und der Templer kam herein. – Eine furchtbare Gestalt. Seine zerbrochene Rüstung war mit Blut befleckt, der Helmbusch war halb zerfetzt, halb versengt.
»So habe ich dich gefunden,« sagte er zu Rebekka. »Du sollst sehen, daß ich Wort halte und Weh und Wohl mit dir teilen werde. Hier gibt es nur noch einen Weg, in Sicherheit zu kommen. Durch hundert Gefahren habe ich ihn mir bis zu dir her gebahnt. Komm und folge mir augenblicklich!«
»Ich folge dir nicht allein,« antwortete sie. »So du vom Weibe geboren bist, so ein Funken Barmherzigkeit in dir schlummert, so dein Herz nicht gefühllos ist wie dein Panzer, so rette meinen alten Vater und diesen verwundeten Ritter.«
»Ein Ritter,« erwiderte der Templer, »muß wissen, seinem Schicksal zu begegnen, ob es ihm in Schwertern naht oder in Flammen. Und wer kümmerte sich darum, wie einen Juden das Schicksal ereilt?«
»Unmenschlicher Krieger!« rief Rebekka. »Lieber komme ich in den Flammen um, als daß ich dir Rettung verdanke!«
»Du hast keine Wahl, Rebekka. Einmal hast du mich gemeistert, ein zweitesmal aber ist es noch keinem Sterblichen gelungen.« Mit diesen Worten ergriff er die entsetzte Jungfrau und trug sie trotz ihrem Sträuben von hinnen, ohne der Drohungen zu achten, die ihm Ivanhoe nachschrie: »Du Hund des Tempels! Du Schandfleck deines Ordens! Laß die Jungfrau frei – Verräter! Bois-Guilbert! Ivanhoe ist es, der dich ruft! Bösewicht, dein Herzblut will ich haben!«
»Ich hätte dich nicht gefunden, Wilfried,« sagte der schwarze Ritter, der eben hereintrat, »hätte ich dein Rufen nicht gehört.«
»So du ein echter Ritter bist,« sagte Ivanhoe, »so denke nicht an mich – verfolge den Räuber dort – rette die Lady Rowena – sieh nach dem edeln Cedricl«
»Einer nach dem andern,« war die Antwort, »du aber bist der erste.« Er ergriff Ivanhoe und trug ihn hinweg, eilte mit ihm zur Pforte und gab seine Bürde zweien von den Yeomen, dann eilte er wieder ins Schloß, um andere zu retten.
Indessen stand schon ein Turm in hellen Flammen, die aus Fenstern und Schießscharten hervorschlugen. An der andern Seite aber leisteten die dicken Mauern noch Widerstand, und dort tobte auch noch die Wut der Menschen kaum minder furchtbar als das verderbende Element. Die Belagerer verfolgten die Schloßmannschaft von Gemach zu Gemach und stillten mit Blut den Rachedurst, den sie schon so lange gegen die grausamen Soldaten des Front-de-Boeuf gehegt hatten. Die Mehrzahl leistete erbitterten Widerstand, wenige baten um Pardon, keinem wurde er gewährt. Die Luft erzitterte von Stöhnen und Waffenklirren, der Boden war schlüpfrig vom Blute der Sterbenden. Durch diesen Wirrwarr hindurch suchte Cedric Rowena, der treue Gurth folgte ihm, sein selbst nicht achtend, um alle Streiche aufzufangen, die gegen seinen Herrn geführt wurden. Der edle Sachse hatte das Glück, sein Mündel zu finden, das eben alle Hoffnung aufgegeben hatte, das Bild des
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