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Ivanhoe

Ivanhoe

Titel: Ivanhoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
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unsichtbaren Gewalt, gegen die es keinen Widerstand gab. »Gott meiner Väter!« rief er aus und hob die gefalteten Hände, während er das graue Haupt am Boden liegen ließ. »Träume sind nicht ohne Vorbedeutung. O, heiliger Moses, o gesegneter Aron, nicht vergebens hast du mich das schauen lassen! Schon fühle ich ihre Eisen zerfetzen meine Sehnen, schon fühle ich ihre Martern schauern über meinen Leib, wie die Sägen und eisernen Eggen über die Männer von Rabbah und über die Städte der Kinder Ammons!«
    »Steh auf, Isaak, und höre mich an,« sagte der Pilger, den die Verzweiflung des Juden mit Verachtung erfüllte. »Ich sage dir, ich will dir zur Flucht verhelfen. Verlaß auf der Stelle dieses Haus, solange noch die Leute vom Feste des gestrigen Abends ausschlafen. Ich geleite dich auf geheimen Pfaden durch den Wald, die ich hier besser kenne als ein Förster. Und ich werde dich nicht eher verlassen, als bis ich dich der Obhut eines Ritters oder Barons, der zum Turnier zieht, anvertraut habe. Du bist wahrscheinlich in der Lage, dir seine Bereitwilligkeit zu erkaufen.«
    Als Isaak vernahm, daß Hoffnung auf Flucht vorhanden war, raffte er sich zollweise vom Boden empor, als er aber die letzten Worte des Pilgers hörte, schien ihn das alte Entsetzen von neuem zu lähmen, er fiel abermals auf sein Angesicht und jammerte: »Ich die Mittel haben, die Bereitwilligkeit irgendwessen zu erkaufen? Es gibt ja nur ein Mittel, sich bei einem Christen in Gunst zu setzen, und wie soll ich armer Jüd davon können Gebrauch machen? Sie haben mich schon geschunden und ausgebeutet, daß ich arm bin wie Lazarus! Junger Mann! Um des großen Vaters willen, der uns alle geschaffen hat, den Juden wie den Heiden, hintergeh mich nicht! Verrate mich nicht! Ich habe gar keine Mittel, die Bereitwilligkeit eines Christenbettlers zu erkaufen, und wäre sie um einen Scheckel feil!«
    »Und wärest du beladen mit dem ganzen Reichtum deines Volkes,« versetzte der Pilger, indem er seinen Mantel von dem flehentlichen Griffe des Juden losriß, als fürchte er, daß ihn seine Berührung unrein machen könnte, »was hülfe es mir, dich auszurauben? – In diesem Kleide habe ich gelobt, arm zu bleiben, und dieses Kleid vertausche ich nur gegen ein Roß und einen Harnisch! Du mußt nicht denken, daß mir etwas daran gelegen sei, mit dir zusammen zu sein, oder daß ich einen Vorteil von dir zu ziehen beabsichtigte – wenn du willst, so bleib hier: vielleicht nimmt dich Cedric der Sachse in seinen Schutz.«
    »Weh!« rief der Jude. »Der läßt mich nicht in seinem Gefolge ziehen, denn der stolze Sachse schämt sich des armen Juden. Allein aber getrau ich mich nicht durch das Gebiet des Malvoisin und des Front-de-Boeuf. Junger Mann, ich will mit dir gehen! Laß uns eilen, laß uns gürten die Lenden, laß uns flüchten! Hier ist mein Stab – was zauderst du?« »Ich zaudre nicht,« war des Wallfahrers Antwort, »ich muß nur erst dafür sorgen, daß wir überhaupt auch von hier wegkommen.« Und er führte ihn in die anstoßende Kammer, wo Gurth, der Schweinehirt, schlief.
    »Steh auf, Gurth!« rief ihm der Pilger zu. »Mach das Hintertor auf, du sollst den Juden hinauslassen.«
    Gurth, der zwar ein niedriges, aber immerhin wichtiges Amt bekleidete, fühlte sich durch den vertraulichen und zugleich befehlenden Ton gekränkt.
    »Den Juden hinauslassen?« sagte er, indem er sich auf die Ellenbogen stützte und ihn argwöhnisch ansah. »Will er mit dem Pilger zusammen zu Fuß weg? Der Jüd und der Pilger müssen beide warten, bis das Haupttor aufgemacht wird.«
    »Ich denke, du wirst mir diese Gunst nicht abschlagen,« versetzte der Wallfahrer in befehlendem Tone. Mit diesen Worten neigte er sich über den Hirten, der liegen geblieben war, und lispelte ihm etwas ins Ohr, und wie vom Schlage getroffen, fuhr Gurth auf. Der Wallfahrer gab ihm mit dem Finger einen warnenden Wink und setzte dann hinzu: »Hüte dich, Gurth, du warst sonst immer klug! Ich sage dir, mach die Hintertür auf, bald hörst du mehr.«
    Gurth gehorchte ihm in Eile.
    »Mein Maultier, mein Maultier!« rief der Jude, als sie die Pforte durchschritten hatten.
    »Hol ihm seinen Maulesel, und hörst du, Gurth,« sagte der Pilger, »gib mir auch einen, damit ich neben ihm reiten kann, bis wir aus den Grenzen sind. Ich schicke dir das Tier bestimmt wieder zurück. Und höre –« Und er flüsterte Gurth abermals etwas ins Ohr.
    »Gern solls geschehen,« sagte der Hirt, ging sogleich den

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