Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ivanhoe

Ivanhoe

Titel: Ivanhoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
Vom Netzwerk:
damaligen Zeit eine schwere Beleidigung enthielt, wollte Athelstane nicht gehorchen und wußte doch auch nicht, wie er Widerstand leisten sollte. Er setzte daher dem Prinzen lediglich passiven Widerstand entgegen, und ohne sich zu erheben oder eine Bewegung zu machen, die seine Bereitwilligkeit bekundet hätte, stierte er den Prinzen mit seinen großen grauen Glotzaugen an – das machte sich ungemein komisch, aber der ungeduldige Prinz Johann faßte die Sache anders auf.
    »Das sächsische Schwein schläft wohl oder versteht es mich nicht?« rief er. »Rüttle den Kerl mit der Lanze auf, Bracy!« So hieß der Ritter, der neben dem Prinzen ritt. Er streckte seine lange Lanze über den Raum, der zwischen der Tribüne und den Schranken lag, und hätte wohl den Befehl des Prinzen ausgeführt, noch ehe Athelstane der Unentschlossene die Besonnenheit gefunden hätte, auch nur dem Stoße auszuweichen. Aber Cedric, der ebenso schnell wie sein Gefährte langsam war, hatte blitzschnell sein Schwert gezogen und mit einem Schlag die Lanzenspitze von dem Speere getrennt. Prinz Johann wurde rot vor Wut. Er stieß einen gräßlichen Fluch aus und war im Begriffe, in seinem Jähzorn eine Gewalttätigkeit zu begehen, aber sein eigenes Gefolge umringte ihn und sprach auf ihn ein, sich doch zu beruhigen, auch erscholl ringsum rauschender Beifall zu Cedrics mutiger Tat. Der Prinz sah verächtlich um sich her, da begegnete sein Auge einem Bogenschützen, der ein grünes Wams anhatte, ein silbernes Wehrgehänge um den Leib, einen Köcher mit zwölf Pfeilen und einen sechs Fuß langen Bogen trug. Der Mann schrie laut Beifall, und Prinz Johann fragte ihn, weshalb er so lärme.
    »Ich rufe stets mein Bravo,« antwortete der Bogenschütze, »wenn ich einen guten Schuß oder einen derben Hieb sehe.«
    »So?« versetzte der Prinz, »und du triffst wohl auch immer das Ziel?«
    »Jawohl, das bei Weidmännern übliche Ziel auf die übliche Entfernung treffe ich wohl.«
    »Bei Sankt Grizzel,« sagte der Prinz, »wir wollen eine Probe deiner Geschicklichkeit sehen.«
    »Ich werde mich der Aufgabe nicht entziehen,« war die beherzte Antwort.
    »Inzwischen steht auf da, Ihr sächsischen Grobiane!« rief der stolze Prinz. »Denn beim Lichte des Himmels, da ich es einmal gesagt habe, so soll der Jude auch zwischen Euch sitzen.«
    »Mit nichten, Euer Hoheit,« sagte der Jude, »es geziemt sich nicht für unsereinen, bei den Oberhäuptern des Landes zu sitzen.«
    »Hinauf mit dir, ungläubiger Hund, wenn ich es dir befehle!« rief der Prinz, »sonst laß ich dir dein zähes Fell abziehen und eine Satteldecke draus gerben.«
    Der Jude begann die hohen engen Stufen hinanzusteigen.
    »Ich will mal sehen, wer ihn aufhalten wird,« sagte der Prinz, den Blick fest auf Cedric geheftet, der entschlossen schien, den Juden hinunterzuwerfen. Der Narr Wamba kam aber dieser vielleicht verhängnisvollen Handlung zuvor, indem er zwischen seinen Herrn und Isaak sprang und auf des Prinzen Worte mit dem Rufe antwortete: »Meiner Treu, ich halt ihn auf!« Er hielt dem Juden ein Stück geräuchertes Schweinefleisch unter die Nase, das er unter seinem Kittel hervorzog. Er hatte sich wahrscheinlich damit versehen, für den Fall, daß er während des Turniers Appetit bekommen sollte. Als der Jude ein von seinem Volke so verabscheutes Stück gerade vor seiner Nase und das hölzerne Schwert des Narren über seinem Haupte sah, geriet er ins Wanken, trat fehl und kollerte zur hellen Belustigung der Zuschauer die Stufen hinunter. Prinz Johann stimmte herzhaft in das allgemeine Gelächter ein.
    »Mir gebührt der Preis!« rief Wamba. »In ehrlichem Kampfe hab ich meinen Feind mit Schild und Schwert bezwungen!«
    »Wer bist du, edler Kämpe?« fragte lachend der Prinz.
    »Ich bin ein Narr und heiße Wamba.«
    »Nun denn, so macht hier unten Platz für den Juden,« sagte jetzt der Prinz, zufrieden, daß er mit Anstand von seinem Vorhaben ablassen konnte. »Der Besiegte darf nicht neben dem Sieger sitzen, das wäre gegen die Vorschrift.« Dann wandte er sich noch einmal an den Juden. »Isaak! Leih mir eine Handvoll Byzantiner!«
    Der Jude erschrak über die Forderung und kam ihr nur ungern nach; dennoch hatte er nicht den Mut, sie abzuschlagen und kramte zaudernd in der Tasche herum, die er am Gürtel hatte und probierte, wie viel oder wie wenig Münzen wohl eine Handvoll sein möchten. Aber Prinz Johann sprang ungeduldig vom Pferde und machte Isaaks Bedenken ein Ende, indem er ihm die

Weitere Kostenlose Bücher