Jäger der Dämmerung
gewandelt, ehe er in die Agentur kam, und das schnell und grob, weil es den Heilungsprozess beschleunigte. Seine Art war mit einem verrückt phänomenalen Regenerierungssystem ausgestattet. Bei manchen Gestaltwandlern heilten Blessuren praktisch sofort, bei anderen brauchte es ein paar Tage, je nachdem wie mächtig das Tier in ihnen war.
Da Jude einer sehr seltenen Gattung von Gestaltwandlern angehörte, durfte er sich glücklich schätzen: Seine Wunden verheilten binnen Stunden.
Ja, die Narbe würde noch bleiben, denn ganz so perfekt war das System auch wieder nicht. Es funktionierte eher wie ein eingebauter Minichirurg, der ihn von innen wieder zusammenflickte. Bald würde von dem rissigen Einschussloch nichts übrig sein als eine schmale Linie erhabener Haut.
Er ließ seine Tasche neben den Schreibtisch fallen. Verdammt, war er müde!
Ihm taten die Knochen weh.
Und er war spitz.
Alles wegen einer kleinen Menschenfrau.
Nein, nicht menschlich. Darauf würde er sein Leben verwetten.
»Du hast den Mistkerl innerhalb von zwölf Stunden aufgetrieben.« Dee gab ein leises Hmm von sich, ähnlich einem losschnurrenden Motor. »Mann, damit hast du meinen Rekord gebrochen!«
Zwar klang sie mürrisch, doch gleich grinste sie wieder. »Aber macht nichts, Süßer. Es gibt immer ein nächstes Mal.« Dee war blutrünstig, um es schmeichelhaft zu formulieren, die zäheste, verschlagenste Kämpferin, die Jude kannte.
Und sie war hundertprozentig menschlich.
Ein Mensch mit einer ziemlich miesen Einstellung.
»Ich konnte den Dreckskerl schließlich nicht frei herumlaufen lassen.« Denn Jude hatte die Bilder gesehen und wusste, was der gute alte Bobby den Frauen antat, die ihn angeblich »beschissen« hatten.
Sheila Gentry trug siebzehn Schnittwunden im Gesicht davon, als sie den Fehler beging, eine Essenseinladung von Bobby auszuschlagen. Sie hatte an einer Tankstelle gehalten, wo sie dem teuflischen Romeo begegnete, der sie unbedingt aufreißen wollte.
Ein Psychopath.
Und jetzt zum Glück ein eingesperrter Psychopath.
Die kleine Staatsanwältin sollte lieber ganze Arbeit leisten und ihn hinter Gittern behalten.
Jude setzte sich auf seinen Stuhl, dessen Leder knarzte. »Dee, was weißt du über Erin Jerome?«
Sie zwinkerte mit ihren schokobraunen Augen. Dee war ganze einssechzig groß und wog hundertfünfzehn Pfund, sprich: Sie sah aus, als könnte eine Windböe sie umpusten.
Dabei hatte Jude gesehen, wie sie Dämonen festnahm, die doppelt so groß waren wie sie.
Dee wusste über die andere Welt Bescheid, und das meiste davon hasste sie.
Sie kräuselte die Stirn. »Die neue Staatsanwältin? Sie hat gerade erst angefangen.«
Ja, das war ihm schon klar. Er hätte sie längst bemerkt, wäre sie mehr als ein paar Wochen in der Gegend.
Ihr Duft. So etwas hatte er noch nie gerochen. Rosen. Sanft, dezent. Und … mehr. Ein betörender, eindringlich weiblicher Geruch.
Sie roch nicht wie ein Tier, hatte nicht die wilde, intensive Note eines weiblichen Gestaltwandlers.
In dem Moment, in dem er sie sah, hatte er etwas in der Luft wahrgenommen, bei dem er von oben bis unten erstarrt war.
Und es hatte ihn sagenhaft erregt. Da war etwas, keine Frage.
»Oh, verflucht, sie ist anders !« Dee verzog den Mund. »Echt, ihr Typen übernehmt noch die ganze Stadt.«
Ja, taten sie.
»Was ist sie? Eine Hexe? Ein Dschinn? Eine von diesen Zauberern?«
Jude antwortete nicht, weil er keinen Schimmer hatte.
»Ein Vampir?« Dees Stimme war so frostig, dass sie beinahe klirrte. Sie konnte Vampire nicht ausstehen und hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, so viele von ihnen auszurotten, wie sie irgend konnte.
Was Jude ihr nicht verdenken konnte, war Dees Familie doch vor Jahren von einem Vampirfürsten ausgelöscht worden.
Und Dee vertrat eine konsequente Auge-um-Auge-Mentalität.
»Ich glaube … nicht.« Erin hatte sonnengebräunte Haut gehabt. Vampire hingegen waren gewöhnlich, nun ja, totenblass.
Die Frau war ein echter Hingucker: rabenschwarzes Haar bis über die Schultern, rote Lippen, sehr strenge Wangenknochen und goldbraune Augen. Nicht zu vergessen, das winzige Muttermal neben dem linken Augenwinkel.
Tolle Figur, hohe Brüste, runde Hüften, endlos lange Beine.
Sexy.
Groß, schlank, mit einem selbstbewussten, eleganten Gang.
Bis sie ihn sah.
Da bemerkte er, wie sie für einen kurzen Moment ins Stolpern geriet.
Sie hatte gespürt, was ich bin.
Einzig ein anderer Gestaltwandler konnte das fühlen.
»Sie roch
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