Jahrestage 2
Anweisungen auf Öl, auf finnisches Holz, auf Dünger, abzuholen in den Häfen von Wismar oder Lübeck. Hier war einer, der wollte die Arbeit rasch getan haben, und nicht schludrig. Avenarius hatte über Jerichows Handwerk nicht zu klagen, außer über Tischler Zoll, in einem Fall. Im Dezember 1923 kamen die Lassewitzschen Möbel aus Schwerin zurück, aber nicht ein Lager schickte die, sondern ein Restaurator. Zwei Tage später, der Palast der Lassewitz stand da wie ein verwunschenes Prachthotel so leer, kamen die Bewohner, die Familie Papenbrock im Auto, die Dienerschaft auf der Eisenbahn und der Haushalt in einem Möbelwagen aus Waren an der Müritz. Licht in allen Fenstern bis in die späte Nacht. Das fing ja gut an. Albert hatte ja wohl aus der angehaltenen Inflation ganze Schwärme von Rentenmark in seine Tasche gezogen. Aber was er nicht mit Rentenmark bezahlt hatte, waren die Grundstücke, deren Eintragungen im Grundbuchamt nun öfter zu sehen begehrt wurden durch Bürger von Jerichow auf Grund ihrer Bürgerrechte: das war nicht nur das Lassewitzsche Haus. Das waren noch zwanzig Meter mehr von der südlichen Bahnhofstraße, der anschließende Garten und Haus mit Geschäft von E. P. F. Prange, dem die Düngemittelhandlung eingegangen war. Das waren auf der anderen Seite des Hauses, an der Stadtstraße, die Schwenn’sche Bäckerei mit dem ganzen Hintergrundstück, und eine Scheune, die ganz vergessen war, und die Scheune hatte dieser Papenbrock sich umbauen lassen zu Stall und Speicher. Insgesamt war es mehr als das Doppelte vom Erwarteten. Aber es fing gar nicht großartig an. Papenbrock hatte sogar das Wappen derer von Lassewitz im Giebel belassen, aus Bescheidenheit: sagten die einen; die anderen: da gebe es noch so ein anderes Wort. Aber wer die für herrschaftlich gehaltene Louise Papenbrock kennen lernen wollte, der konnte das zu allen geltenden Ladenöffnungszeiten in der Schwenn’schen Bäckerei haben; die mochte ihr gehören, sie stand da doch hinter dem Ladentisch und schnitt die Dreipfundbrote vor der Brust so säuberlich in Hälften, das wurde beim Wiegen nicht anders. Die konnte ja arbeiten! Und der Sœhner, der Bengel, der Horst wurde von seinem Vater auf dem Speicherhof gescheucht und hatte die Pferde zu besorgen, als solle er Kutscher werden. Die Düngemittel konnte der Adel nach wie vor im Geschäft von E. P. F. Prange erwerben, obwohl doch Prange bei seinen Söhnen im Lauenburgischen untergekrochen war; erst nach und nach sprach sich herum, daß unter dem Prangeschen Namen auf den Rechnungen nun noch der eines Besitzers eingedruckt war. Um 1928 reichte das schon für die Hochzeit der ältesten Tochter, zu der auch schon die von Maltzahns angefahren kamen; obwohl Hildes Mann nicht von Adel war und nicht ein Doktor der Rechte, die er noch studierte, jener Alexander Paepcke. 1928 war es weiterhin kein Geheimnis mehr, daß die Deutsche Reichsbahn die Wagen für Weizen und Zuckerrüben nicht mehr auf Anforderungen von Händlern aus Lübeck oder Bremen zum jerichower Bahnhof rollte, sondern auf Rechnung von Albert Papenbrock, Hauptmann a. D. oder am Ende doch Major a. D., wie sollte ein Verstand es sonst fassen? Das mußte schon vor 1928 gewesen sein! denn 1926 hatte die Bahn doch schon ein Gleis zu Papenbrocks Speicher gelegt, damit er seine Einkäufe nicht immer gleich sondern mit Überlegung verhandeln konnte. Offenbar hatte Albert einmal mit Lagerhaltung besseres Geld gemacht als ihm anzusehen war. Und nichts von herrschaftlichem Wesen! Das Personenauto hatte er an Knoop in Gneez abgestoßen, er fuhr die Familie im Lieferwagen der Bäckerei spazieren, außerdem nicht zu oft. Das konnte man unbedenklich weitersagen, daß Papenbrock sich auf das freundlichste anstellte, wenn Einer Geld von ihm leihen wollte. Es war ja nicht Papenbrock selbst, der zum Termin ankam, wenn die Zinsen zum dritten Mal nicht da waren, es kam die Landesbank. Für das Verhalten der Bank konnte Papenbrock nichts. Und seit menschlichem Gedenken einem Schnaps nicht abgeneigt, im Kontor nicht und nicht im Försterkrug, wo die Bänke weder bezogen noch abgewischt waren. Eins, ja.
Für die Mädchen war ihm Jerichow nicht gut genug, nicht einmal Gneez. Hilde hatte er auf eine Töchterschule nach Lübeck gegeben. Lisbeth hatte Wissenschaften und obendrein den Haushalt in Rostock lernen müssen. Lisbeth kam erst im Juni 1928 wieder für dauernd nach Hause, noch keine 22 Jahre alt, und besorgte Hildes Hochzeit und die
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