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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihm gesagt. Und: Hier sitz ich ja wie unter Mördern! Später denkt er: Ich werde mich auch von diesen Brüdern nicht kriegen lassen. Ich bin eben nur ein oller dußliger Werkmeister, ich versteh von nischt was. Aber mitmachen, nee, das tu ich nicht. Ich hab's heute früh gesehen, wie es
    die Anna gepackt hat und danach die Trudel; ich mach bei so was nicht mit. Ich will nicht, daß eine Mutter oder Braut durch mich so hingerichtet wird. Die sollen mich rauslassen aus ihren Sachen ...
    So denkt er. Unterdes hat sich der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Vorstandstisch ist eng von braunen Uniformen und schwarzen Röcken besetzt, und auf dem Rednerpult steht jetzt ein Major oder Oberst (Quangel hat es nie gelernt, Uniformen und Rangabzeichen auseinanderzuhalten) und spricht von der Kriegslage.
    Natürlich ist die großartig, der Sieg über Frankreich wird gebührend gefeiert, und es kann nur eine Frage von wenigen Wochen sein, daß auch England am Boden liegt.
    Dann kommt der Redner allmählich dem Punkte näher, der ihm wichtig ist: wenn nämlich die Front so große Erfolge erzielt, so wird erwartet, daß auch die Heimat ihre Pflicht tut. Was nun folgt, das klingt beinahe so, als komme der Herr Major (oder Oberst oder Hauptmann) direkt aus dem Hauptquartier, um der Belegschaft der Möbelfabrik Krause & Co. vom Führer zu sagen, daß sie unbedingt ihre Leistungen steigern müsse. Der Führer erwartet, daß die Fabrik in drei Monaten ihre Leistung um 50 Prozent, in einem halben Jahr aber aufs Doppelte gesteigert hat. Vorschläge, um dieses Ziel zu erreichen, werden aus der Versammlung gerne entgegengenommen.
    Wer aber nicht mitmacht, ist als Saboteur zu betrachten und entsprechend zu behandeln.
    Während der Redner noch ein «Siegheil» auf den Führer ausbringt, denkt Otto Quangel: England liegt in ein paar Wochen am Boden, der Krieg ist alle, und wir steigern in einem halben Jahre unsere Kriegsproduktion um 100 Prozent! Wer denen bloß so was abnimmt?
    Aber er setzt sich wieder und blickt dann auf den nächsten Redner, der in brauner Uniform das Pult betritt, die Brust dick mit Medaillen, Orden und Abzeichen geschmückt. Dieser Parteiredner ist eine ganz andere Sorte Mann als sein militärischer Vorredner. Von allem Anfang an spricht er scharf und zackig, von dem Ungeist, der immer noch in den Betrieben umgeht, trotz der herrlichen Erfolge des Führers und der Wehrmacht. Er redet so scharf und zackig, daß er nur brüllt, und er nimmt kein Blatt vor den Mund, als er von den Miesmachern und Meckerern spricht. Jetzt soll und wird der letzte Rest von ihnen ausgetilgt werden, Schlitten wird man mit ihnen fahren, man wird ihnen was über die Schnauze geben, daß sie nie wieder die Zähne auseinanderkriegen! Suum cui-que, das hat auf den Koppelschlössern gestanden im Ersten Weltkrieg, und: Jedem das Seine, das steht jetzt über den Toren der Konzertlager! Da wird denen was beige-bracht, und wer dafür sorgt, daß so 'n Kerl oder so 'n Weib reinkommt, der hat was geleistet für das deutsche Volk, und der ist ein Mann des Führers.
    «Euch aber alle hier, die ihr hier sitzt», brüllt der Redner zum Schluß, «ihr Werkstättenleiter, Abteilungsvor-steher, Direktoren - euch mache ich persönlich dafür haftbar, daß euer Betrieb sauber ist! Und Sauberkeit, das ist nationalsozialistisches Denken! Nur das! Wer da schlappschwänzig ist und weichmäulig, und wer nicht alles anzeigt, auch die geringste Kleinigkeit, der fliegt selber ins KZ. Dafür stehe ich euch persönlich, ob ihr nun Direktor seid oder Werkmeister, ich bring euch zurecht, und wenn ich euch die Schlappheit mit den Stiebeln aus dem Leibe treten soll!»
    Der Redner steht noch einen Augenblick da, er hat seine Hände wutverkrampft erhoben, er ist blaurot im Gesicht. In der Versammlung ist es nach diesem Ausbruch totenstill geworden, sie machen alle ziemlich bekniffene Gesichter, sie, die so plötzlich und unverhüllt zu Spitzeln ihrer Kameraden gemacht wurden. Dann stampft der Redner mit schweren Schritten von seinem Pult hinunter, wobei die Abzeichen auf seiner Brust leise klingeln, und nun erhebt sich der blasse Generaldirektor Schröder und fragt mit sanfter, leiser Stimme, ob etwa Wortmeldungen vorlägen.
    Ein Aufatmen geht durch die Versammlung, ein Zurechtrücken - als wäre ein böser Traum ausgeträumt, und der Tag komme wieder zu seinem Recht. Es scheint niemand zu sein, der jetzt noch sprechen will, alle haben sie wohl den Wunsch, möglichst

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