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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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bald diesen Saal zu verlassen, und der Generaldirektor will eben die Versammlung mit einem «Heil Hitler» schließen, da steht plötzlich im Hintergrund ein Mann in blauer Arbeitsbluse auf und sagt, was die Leistungssteigerung in seiner Werkstatt angehe, so sei das ganz einfach. Man müsse nur noch die und die Maschinen aufstellen, er zählt sie auf und erklärt, wie sie aufgestellt werden müssen. Ja, und dann müsse man noch sechs oder acht Leute aus seiner Werkstatt raussetzen, Bummelanten und Nichtskönner. Dann schaffe er das mit den 100 Prozent schon in einem Vierteljahr.
    Quangel steht kühl und gelassen da, er hat den Kampf aufgenommen. Er fühlt, wie sie ihn alle anstarren, diesen einfachen Arbeiter, der so gar nicht zwischen diese feinen Herren gehört. Aber er hat sich nie was aus den Menschen gemacht, ihm ist es egal, ob sie ihn anstarren. Jetzt, wo er ausgeredet hat, stecken sie am Vorstandstisch die Köpfe über ihn zusammen. Die Redner erkundigen sich, wer das wohl ist, dieser Mann in der blauen Bluse. Dann steht der Major oder Oberst auf und sagt Quangel, die technische Leitung werde sich mit ihm wegen der Maschinen besprechen, aber wie er das meine mit den sechs oder acht Leuten, die aus seiner Werkstatt raus sollten?
    Langsam und hartnäckig antwortet Quangel: «Ja, manche können eben nicht so arbeiten, und manche wollen es nicht. Da sitzt gleich einer von denen!» Und er zeigt mit dem großen, starren Zeigefinger ganz unverhohlen auf den Tischler Dollfuß, der einige Reihen vor ihm sitzt.
    Jetzt platzen einige mit Lachen heraus, und zu den Lachern gehört auch der Tischler Dollfuß, der den Kopf nach ihm umgedreht hat und ihn anlacht.
    Aber Quangel sagt, ohne eine Miene zu verziehen: «Ja, reden, Zigaretten auf dem Abtritt rauchen und die Arbeit versäumen, das kannst du, Dollfuß!»
    Am Vorstandstisch haben sie wieder die Köpfe über diesen verdrehten Kauz zusammengesteckt. Aber jetzt hält nichts mehr den braunen Redner, er springt auf und schreit: «Du bist nicht in der Partei - warum bist du nicht in der Partei?»
    Und Quangel antwortet, was er immer auf diese Frage geantwortet hat: «Weil ich jeden Groschen brauche, weil ich Familie habe, darum kann ich mir das nicht leisten!»
    Der Braune brüllt: «Weil du ein geiziger Hund bist!
    Weil du nichts über hast für deinen Führer und dein Volk! Wie groß ist denn deine Familie?»
    Und kalt antwortet ihm Quangel ins Gesicht hinein:
    «Von meiner Familie reden Sie mir heut nicht, lieber Mann! Ich habe gerade heute die Nachricht bekommen, daß mir mein Sohn gefallen ist!»
    Einen Augenblick ist es totenstill im Saal, über die Stuhlreihen weg starren sich der braune Bonze und der alte Werkmeister an. Dann setzt sich Otto Quangel plötzlich, als sei nun alles erledigt, und ein wenig später setzt sich auch der Braune. Wieder erhebt sich der Generaldirektor Schröder und bringt nun das «Siegheil!» auf den Führer aus: es klingt etwas dünn. Dann ist die Versammlung geschlossen.
    Fünf Minuten später steht Quangel wieder in seiner Werkstatt; mit etwas erhobenem Kopf läßt er langsam den Blick von der Dicktenhobelmaschine zu der Bandsäge wandern, von da weiter zu den Naglern, den Bohrern, den Bretterträgern ... Aber es ist der alte Quangel nicht mehr, der dort steht. Er fühlt es, er weiß es, er hat sie alle überlistet. Vielleicht auf eine häßliche Weise überlistet, indem er aus dem Tode seines Sohnes Kapital schlug, aber soll man zu solchen Biestern anständig sein? Nee! sagt er fast laut zu sich. Nee, Quangel, der Alte wirst du nie wieder.
    Ich bin doch mal neugierig, was Anna zu dem allem sagt.
    Ob der Dollfuß gar nicht wieder auf seinen Arbeitsplatz kommt? Dann muß ich heute noch einen andern anfor-dern. Wir sind im Rückstand .
    Aber keine Bange, der Dollfuß kommt. Er kommt sogar in der Begleitung eines Abteilungsleiters, und dem Werkmeister Otto Quangel wird eröffnet, daß er zwar die technische Leitung dieser Werkstatt behalte, daß er aber sein Amt in der DAF hier an den Herrn Dollfuß abzugeben habe. «Verstanden?»
    «Und ob ich das verstanden habe! Ich bin froh, daß du mir den Posten abnimmst, Dollfuß! Mein Gehör wird immer schlechter, und hinhorchen, wie der Herr sich das vorhin vorgestellt hat, das kann ich hier in dem Lärm überhaupt nicht.»
    Dollfuß nickt kurz, er sagt rasch: «Und was Sie da vorhin gesehen und gehört haben, darüber zu keinem Menschen ein Wort, sonst ...»
    Fast gekränkt antwortet Quangel: «Zu

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