Jetzt aber Ballett (German Edition)
würde.*
Er betrachtete Till s hübsches Gesicht und hätte zu gerne etwas Tröstliches gesagt, seinen Freund in die Arme geschlossen. Andi wusste, wie sehr Till an der Musik hing und die Auftritt e , die Fans und den Jubel brauchte. Sicher litt er sehr unter der momentanen Leere. Andi konnte seinen Blick kaum von Till losreißen: die schönen braunen Augen in dem schmalen, mädchenhaften Gesicht übten nun plötzlich einen Reiz auf ihn aus, den er so früher nie verspürt hatte. Das waren keine rein freundschaftlichen Gefühle mehr – es war ein Begehren, ein Verlangen, das Andi da warm durchströmte.
"Und bei dir", fragte John , "Wie geht es mit deiner Karriere weiter? Schule ist ja nun rum."
Das Wort "Karriere" betonte er besonders, sollte wohl komisch wirken.
"Ich geh zum Studium nach Berlin", antwortete Andi, "Informatik – ihr wisst ja, dass ich schon immer ein Computerfreak war. Das werde ich jetzt auf eine solidere Basis stellen."
"Oh Gott, Studium", stöhnte John und Till lachte, "Vorlesungen, Prüfungen – darauf hätte ich jetzt so viel Bock wie auf einen Schuss ins Knie, echt!"
"Hat ja nicht jeder das Glück, schon als Teenie fürs Leben ausgesorgt zu haben", meinte Andi, der den Spott nicht mochte.
"Das Glück und das Talent ", ergänzte John .
"Meine Eltern werden mich finanziell voll unterstützen. Ich muss also nebenher nicht jobben oder so. Dann hält sich der Stress hoffentlich auch in Grenzen."
" Signores , Telefone!", der Kellner kam hinein und hatte Andis Jacke in der Hand, aus der Handyklingeln zu vernehmen war.
"Danke", sagte Andi, fummelte das Handy heraus und warf die Jacke über einen freien Stuhl. "Hallo", aber niemand meldete sich.
Andi betrachtete die Nummer, die ihm aber gänzlich unbekannt war. Verwählt?
" Was ist das denn?", fragte John und als Andi sich umdrehte, bekam er einen Riesenschreck. John hatte das Plakat in der Hand, sauber auseinandergefaltet. Es musste aus der Jacke gerutscht aus. "Wie schwul der guckt, schau mal Till . Bäh, ein Tänzer, trägt bestimmt auch Ballettröckchen."
Till guckte interessiert, sagte aber nichts.
"Gib das her, John !", forderte Andi, "Und lass die dummen Sprüche!"
Ihn hatten John s Worte wie Schläge in den Magen getroffen.
Aber John hielt das Plakat von Andi weg.
"Ich will nur mal gucken – aber ich muss, glaub ich, gleich kotzen. Wie sich diese Schwulette in Pose wirft, das ist widerlich."
"Genug!"
Andi sprang auf John zu, aber der wich zurück, wobei er durch die hektische Bewegung das Plakat stark einriss. In fassungsloser Wut schnappte sich Andi das Weinglas und schüttete es John mit voller Wucht ins Gesicht.
Einen kurzen Augenblick schaute der klitschnasse John irritiert, aber dann warf er sich auf Andi, drückte ihn zu Boden und holte mit der Faust weit aus.
*Adieu Vorderzähne*, dachte Andi, der in John s Augen sah, dass dieser blind vor Zorn war. "Nicht John !"
Till s Worte holten John in die Gegenwart zurück.
Beide standen wieder auf. Wie unter Schock zitternd kramte Andi seine Geldbörse heraus und schüttet das Geld heraus - es waren nur einige Münzen.
"Das reicht für die Cola, hoffe ich", sagte er leise.
"Du bist doch eingeladen", meinte John in unterkühltem Ton , während er sich mit einigen Servietten das Gesicht abtrocknete.
"Tut mir leid", erwiderte Andi, "ich lass mich nur von Freunden einladen."
Er sah zu Till .
*Bitte sag etwas. Mit John bin ich durch. Aber du, Till , bitte!*
Doch Till hatte nur Augen für John , schien offenbar besorgt, dass ihm die Wein-Red-Bul l-Mischung den Teint versauen kö nnte. Also schnappte sich Andi das lädierte Plakat und ging schnell hinaus. Seine Tränen sollten sie nicht sehen.
Zu Hause brach Andi erstmal heulend zusammen. Ihm war hundeelend und er wusste gar nicht, was er genau empfand – war es Trauer oder Wut? Er hatte nicht einmal Lust, die Ärzte zu hören. Wann hatte er sich das letzte Mal so schlecht gefühlt?
Er schluchzte und schniefte und sah immer wieder Till und John vor sich – er erinnerte sich an die vergangenen Zeiten, die er mit den Beiden verbracht hatte , als sie drei die Außenseiter waren und es ihnen am Arsch vorbei ging. Diese Zeit hatte sie zusammengeschweißt – so jedenfalls hatte Andi bis heute gedacht. Und dann sah er wieder John s hasserfülltes Gesicht, wie er zum Schlag ausholt.
Andi wusste nicht, ob es richtig gewesen war, einfach abzuhauen. Hätten sie die Sache nicht klären
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