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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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ehrfürchtigem Staunen erfüllte, denn er konnte auf dem Papier bloß ein Gewirr von bunten Linien und Punkten erkennen, sonst nichts.
    »Schau her«,, erklärte Lukas und zeigte mit seinem Finger auf die Karte. »Hier stehen wir, und hier ist das ›Tal der Dämmerung‹. Wir sind also etwas zu weit nördlich aus dem Wald herausgekommen. Deshalb müssen wir jetzt ein Stück nach Süden fahren.«
    »Ganz wie du meinst, Lukas«, sagte Jim vertrauensvoll.
    Sie fuhren also ein Stück nach Süden, immer an dem Gebirge entlang, und bald erblickten sie einen schmalen Einschnitt zwischen den hohen Gipfeln und hielten darauf zu.

Dreizehntes Kapitel
    in dem die Stimmen im »Tal der Dämmererung« zu reden beginnen

    Das »Tal der Dämmerung« war eine düstere Schlucht, ungefähr so breit wie eine Straße. Der Boden bestand aus rotem Gestein und war glatt wie Asphalt. Bis hier herunter drang nie ein Sonnenstrahl. Links und rechts stiegen senkrechte Felsentürme bis in Himmelshöhen hinauf. Und weit hinten, ganz am anderen Ende der Schlucht, stand groß die rote Abendsonne und übergoß die zerklüfteten Wände mit ihrem Purpurlicht. Vor dem Eingang zu der Schlucht hielt Lukas die Lokomotive an, und er und Jim gingen erst einmal ein Stück zu Fuß hinein, um zu sehen, was es mit den unheimlichen Stimmen auf sich hätte.
    Aber es war nichts zu hören. Eine feierliche und geheimnisvolle Stille herrschte ringsum. Jims Herz klopfte, und er faßte nach Lukas’ Hand. So standen sie eine Weile schweigend. Endlich meinte Jim: »Es is’ doch ganz still!«
    Lukas nickte und wollte eben etwas erwidern, da ertönt e plötzlich Jims Stimme ganz deutlich rechts in dem Felsen:
    »Es is’ doch ganz still!«
    Und dann von links oben ebenso:
    »Es is’ doch ganz still!«
    Und dann ging es in einer Art Gemurmel immer abwechselnd links und rechts das ganze Tal hinunter:
    »Es is’ doch ganz still! - Es is’ doch ganz still! - Es is’ doch ganz still!«
    »Was is’ das?« fragte Jim erschrocken und umklammerte Lukas’ Hand fester.
    »Was is’ das? - Was is’ das? - Was is’ das?« raunte es die Felswände entlang.
    »Keine Angst!« antwortete Lukas beruhigend. »Das ist nur ein Echo.«
    »Nur ein Echo - nur ein Echo - nur ein Echo«, scholl es durch die Schlucht. Die beiden Freunde gingen zu ihrer Emma zurück und wollten eben einsteigen, als Jim plötzlich flüsterte: »Pst, Lukas! Hör doch mal!«
    Lukas lauschte. Und nun vernahmen sie, wie das Echo vom anderen Ende der Schlucht wieder zurückkam. Erst war es noch ganz leise, dann schwoll es immer mehr an:
    »Es is’ doch ganz still! - Es is’ doch ganz still! - Es is’ doch ganz still!«
    Aber seltsam, jetzt war es nicht mehr allein die eine Stimme von Jim, sondern es klang, als ob hundert Jims durcheinander redeten. Das hörte sich natürlich schon um ein beträchtliches lauter an. Nun kehrte das Echo wieder um und wanderte aufs neue das Tal hinunter.
    »Na, so was!« raunte Lukas. »Das Echo kommt zurück und hat sich inzwischen vermehrt, wie es scheint.« Jetzt kam das zweite Echo aus der Ferne wieder, immer abwechselnd links und rechts:
    »Was is’ das? - Was is’ das? - Was is’ das?« rief es aus den Felsen. Es klang schon wie eine ganze Volksmenge von Jims. Dann kehrte das Echo um und entfernte sich wieder.
    »Na«, flüsterte Lukas, »das kann ja lustig werden, wenn das so weitergeht.«
    »Warum meinst du?« fragte Jim ängstlich und leise. Es war ihm gar nicht recht geheuer, wie seine Stimme da auf eigene Faust umhergeisterte und sich vervielfältigte.
    »Stell dir doch mal vor«, antwortete Lukas gedämpft, »was passieren wird, wenn Emma anfängt, in dem Tal herumzupoltern. Das wird sich anhören wie ein ganzer Hauptbahnhof.« Eben kam das dritte Echo zurück und näherte sich, immer im Zickzack durch die Schlucht hallend:
    »Nur ein Echo - nur ein Echo - nur ein Echo«, riefen tausend Lukasse aus den Felswänden. Dann machten die Stimmen kehrt und wanderten wieder zum anderen Ende des Tales.
    »Wie kommt denn das?« flüsterte Jim.
    »Schwer zu sagen«, antwortete Lukas. »Man müßte es erforschen.«
    »Achtung!« raunte Jim. »Da kommt es wieder!«
    Jetzt kam das erste Echo zum zweitenmal aus der Ferne zurück und hatte sich inzwischen unheimlich vermehrt.
    »Es is’ doch ganz still! - Es is’ doch ganz still! - Es is’ doch ganz still!« brüllten zehntausend Jims. Es war ein Getöse, daß den beiden Freunden die Ohren dröhnten.
    Als es vorüber war,

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