John Puller 01 - Zero Day
Matthew Reynolds’ Vorgesetzter beim Militärischen Geheimdienst.
Nach sechs vollen Stunden Schlaf erwachte er, frühstückte, joggte acht Kilometer, stemmte in Quanticos Sporthalle Gewichte, duschte, tätigte ein paar Telefonate und erledigte überfälligen Papierkram.
Er zog seine Uniform an und fuhr im Mietwagen nordwärts zum Pentagon. Am U-Bahnhof Pentagon erwartete ihn ein DIA -Spezialagent der Abteilung für Gegenspionage und Sicherheit. Gemeinsam begaben sie sich ins Pentagon. Beide legten ihre Ausweise vor und erklärten, bewaffnet zu sein. Sie durften das Gebäude ohne Eskorte betreten.
Der DIA -Spezialagent, ein Mann namens Ryan Bolling, war ein gedrungener, etwa eins fünfundsiebzig großer Ex-Marineinfanterist, der inzwischen seit zehn Jahren zur DIA gehörte. Heute war er Zivilist, so wie alle Mitglieder der Abteilung GS. »Ich hätte gedacht«, meinte Puller, während sie durch Korridore schritten, »dass der Fall hier alle ein wenig auf Trab bringt. So ganz allein fühle ich mich doch ein bisschen einsam.«
»Dafür kann ich nichts, Puller. Ich befolge nur Anweisungen.« Durch Korridor 10 gelangten sie zu einem Umgehungsring und durchquerten das labyrinthische Gangsystem des Pentagons, bis sie die Dienststelle J2 erreichten. Davor befand sich eine große Rezeption, der Arbeitsplatz des Dienststellenchefs und der Sekretärinnen. Im Hintergrund sah man die von der Nationalflagge und der Fahne des Flaggoffiziers gesäumte Tür zum Büro des J2-Chefs. Die rote Fahne des Flaggoffiziers hatte zwei Sterne. Vor Jahren war Puller einmal in seinem Büro gewesen. Eine Wand war, wie man es oft in Büros höherer Militärs antraf, mit Bildern des Flaggoffiziers und seiner berühmten Freunde regelrecht tapeziert.
Derzeit hielt sich der J2-Chef außer Landes auf. Seine Stellvertreterin hatte ihr Büro an der linken Seite. Ihre rote Fahne hatte nur einen Stern. Rechts gab es einen kleinen Konferenzsaal, in dem der J2-Chef oder, falls er abwesend war, seine Stellvertreterin Besprechungen abhielt. Jeden Morgen um fünf Uhr war der J2-Chef zur Stelle, um den später zu erstattenden Tagesbericht für den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs vorzubereiten.
Puller hatte die Einwilligung für ein Gespräch mit der Stellvertreterin erhalten, General Julie Carson. Ihr hatte Matthew Reynolds unmittelbar unterstanden.
»Was für ein Typ ist Carson?«, erkundigte Puller sich bei Bolling, ehe sie das Büro von General Julie Carson betraten.
»Das müssen Sie selbst sehen. Ich bin ihr auch noch nie begegnet.«
Wenige Augenblicke später saß Puller Carson gegenüber. Bolling hatte auf einem anderen Stuhl Platz genommen. General Carson war eine große, ebenso robust wie abweisend wirkende Frau mit kurzem blondem Haar. Sie trug ihre blaue Uniform. »Wahrscheinlich hätten wir uns auf ein Telefonat beschränken können«, meinte sie als Erstes. »Ich kann Ihnen wenig erzählen.«
»Ich ziehe das persönliche Gespräch vor«, erwiderte Puller.
Carson zuckte mit den Schultern. »Bei der CID hat man wohl mehr frei verfügbare Zeit als bei uns.« Sie sah Bolling an. »Bestimmt empfinden Sie es als riesiges Abenteuer, den Babysitter dieses Kameraden spielen zu dürfen.«
Auch Bolling hob die Schultern. »Ich befolge stets meine Anweisungen, Ma’am.«
»Ein Oberst der Armee wird ermordet«, sagte Puller. »Er war Leiter der Abteilung J23. Dort beaufsichtigte er die Vorbereitungen für die Tagesberichterstattung des J2-Chefs beim Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs. Im selben Moment, als der Ermordete identifiziert und als Mitarbeiter des Militärischen Geheimdienstes erkannt wird, ergeht Meldung bei Ihnen, Ma’am, beim J2-Chef, beim Geheimdienstdirektor und weiteren hohen Stellen. Sogar der FAO zeigt Interesse an dem Vorfall.«
Carson beugte sich vor. »Worauf wollen Sie hinaus?«
Auch Puller beugte sich vor. »Um ehrlich zu sein, Ihre gleichgültige Haltung ist mir ein Rätsel.«
»Ich nehme keine gleichgültige Haltung ein. Ich bezweifle lediglich, dass ich Ihnen Informationen geben kann, die für Ihre Ermittlungen nützlich sind.«
»Bitte lassen Sie mich versuchen, Sie von dieser Ansicht zu bekehren. Was können Sie mir über Oberst Reynolds erzählen?«
»Unser Werdegang hat sich von Zeit zu Zeit überschnitten. Wir hatten lange den gleichen Rang, bis ich ihn vor ein paar Jahren überholt habe. Fast war es eine Ironie, dass ich den Stern bekam, er hingegen nicht. Aber er hatte den Wunsch, etwas anderes
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