John Sinclair - 0974 - Monsterzeit (2 of 2)
nicht so gewesen. Jemand muß sie aus dem Haus geschoben haben, und dieser Jemand ist ein fremder Mann gewesen«, erklärte er mit kratziger Stimme.
Die Frage, die ich ihm stellte, paßte zu einem Polizisten. »Woher wissen Sie das so genau?«
Er schnaubte. »Weil ich auch im Bad nachgeschaut habe. Dort lagen fremde Kleidungsstücke über dem Wannenrand. Sie gehörten einem Mann, verstehen Sie?«
Das brauchte er nicht extra zu betonen. Er senkte den Kopf und hob die Schultern. Kinny war ausgelaugt, deprimiert, und so klangen auch seine nächsten Worte. »Man hat Greta geholt. Man hat sie entführt. Die andere Seite hat sie gefunden, und was das bedeutet, muß ich wohl nicht erst aussprechen. Für mich ist es das Schlimmste überhaupt.«
»Denken Sie an den Tod?«
»Auch«, gab er rauh zurück. »Wenn es um ihre Interessen und Ziele geht, kennt die IRA keine Gnade, das weiß ich. Denken Sie daran, daß noch vor wenigen Tagen in Manchester eine Bombe hochging und mehr als zweihundert Menschen verletzt worden sind. Der Krieg hat wieder begonnen, und er hat auch mich oder uns getroffen.«
Wir konnten ihm leider nicht widersprechen, aber wir waren nicht persönlich betroffen wie Doug Kinny. So schlug ich vor, nach irgendwelchen Hinweisen oder Spuren zu suchen.
Kinny mußte lachen. »Wo denn und wie denn?«
»Nicht nur im Haus, sondern auch draußen. Es gibt da eine Vorder- und eine Rückseite.«
»Haben wir denn da etwas gesehen?«
»Nicht vorn.« Ich blieb hart. »Ich könnte mir aber vorstellen, daß man Ihre Tochter, sollte sie tatsächlich entführt worden sein, an der Rückseite des Hauses nach draußen geschafft hat.«
Kinny überlegte, nickte und murmelte: »Und genau dort beginnt der Wald.«
»Eben.«
»Außerdem dürfen wir die klagenden Bäume nicht vergessen«, warf Suko ein. »Ihretwegen sind wir eigentlich hergekommen. Daß uns die Spur zu Ihrer Tochter geführt hat, hätte zuvor niemand ahnen können. Das war eben Schicksal.«
Doug Kinny hatte kaum zugehört. Seine Überlegungen beschäftigten sich einzig und allein mit dem Wald. Er sprach auch aus, worüber er nachdachte. »Greta ist immer eine Freundin des Waldes gewesen. Sie hat sich sehr gewünscht, daß dieses Haus nicht weit vom Wald entfernt gebaut wird. Ich habe lange gezögert, schließlich aber nachgegeben«, berichtete er mit leiser Stimme. »Das Leben hat sie genug bestraft. Da mußte ich ihr einfach eine Freude machen.«
»Dann wird sie die Geheimnisse des Waldes kennen«, nahm Suko den Faden wieder auf.
»Ich denke schon.«
»Das ist gut.«
»Wieso?«
Mein Freund lächelte. »Es ist nur die reine Spekulation, aber wir könnten uns doch vorstellen, daß Greta mit den Freunden und auch den Kräften des Waldes gut zurechtkommt und sie auch für sich und gegen einen Feind einzusetzen weiß.«
Doug Kinny war so perplex, daß er zunächst einmal nichts sagen konnte.
»Wenn das stimmt, würde es bedeuten, daß wir Greta und möglicherweise auch ihren Entführer im Wald finden.«
»Alles ist drin.«
»Deshalb sollten wir auch jetzt nach Spuren suchen«, sagte ich. »Die Zeit vergeht sonst zu unseren Ungunsten.«
»Das stimmt.« Kinny nickte. Er hatte wieder neuen Mut bekommen und zeigte sich einigermaßen erholt. »Ich gehe dann vor.«
Wir folgten ihm in eine geräumige Küche. Die zweite Tür, mit einem Fliegengitter besetzt, führte nach draußen. Und dort war auch die schiefe Ebene zu sehen, über die jemand bequem mit einem Rollstuhl fahren konnte.
Reifenspuren waren darauf zu erkennen, aber ob sie frisch oder schon älter waren, konnte man nicht erkennen.
Zum erstenmal schauten Suko und ich aus einer anderen Perspektive gegen den dunklen Saum des Waldes. Er sah im Sonnenlicht flaschengrün und leicht gläsern aus, als hätte sich die Helligkeit über ihm nur in den Kronen verteilt.
Ein vom Ansehen her normaler Wald. Das wollte ich nicht unterschreiben. Ob sich der Geschmack in meinem Mund verstärkt hatte oder ich mir dies nur einbildete, wußte ich auch nicht genau, aber der Wald war schon interessant. Auch Suko blickte hin. Es war ja nicht weit zu laufen, in zwei, drei Minuten hatten wir ihn erreicht.
Doug Kinny kümmerte sich nicht um uns. Auf der trockenen Erde suchte er nach frischen Abdrücken der Rollstuhlreifen – und gab plötzlich einen Laut von sich, der sich kaum noch menschlich anhörte, als er etwas entdeckt hatte.
Zugleich drehten wir uns um.
Kinny atmete schwer, während der ausgestreckte Zeigefinger
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