Judith McNaught
spät es ist?« fragte sie.
Clayton, der gerade auf seine eigene
Uhr geschaut hatte, antwortete anstelle des Arztes. »Schon zehn Uhr vorbei.«
Die kleine Gruppe von Menschen sah
sich verzweifelt an. Whitney brachte ihre Gedanken mit trauriger Resignation zum
Ausdruck. »Sherry muß ihn abgelehnt haben, sonst wären sie schon seit drei
Stunden hier.«
»Und ich war mir so sicher ...«,
begann Miss Charity, sprach aber den Satz nicht zu Ende. Ihre schmalen
Schultern sanken voller Verzweiflung herab.
»Vielleicht ist es DuVille nicht
gelungen, sie dazu zu bewegen, in die Kapelle zu gehen«, vermutete Jason Fielding,
aber seine Frau schüttelte den Kopf und sagte düster: »Wenn Nicki DuVille
wollte, daß sie ihn begleitet, dann hat er auch einen Weg gefunden, sie zu überreden.«
Sie hatte gar nicht gemerkt, daß sie
so klang, als könne keine Frau Nicki irgend etwas abschlagen, und als sie aufblickte,
sah sie, wie ihr Mann stirnrunzelnd zu Clayton Westmoreland schaute. »Besitzt
DuVille etwas, das mir noch nicht aufgefallen ist?« fragte er den Herzog.
»Irgend etwas, das ihn unwiderstehlich macht?«
»Ich habe keine Probleme, ihm zu
widerstehen«, erwiderte Clayton trocken, dann hielt er inne, weil eine seiner
Großtanten auf sie zukam, um seiner Mutter zum Geburtstag zu gratulieren.
»Das ist so ein reizender Ball,
Alicia. Du bist bestimmt sehr glücklich heute abend.«
»Ich könnte glücklicher sein'',
erwiderte die Herzoginwitwe seufzend, dann wandte sie sich um und mischte sich
wieder unter die Gäste im Ballsaal.
Auf dem Balkon über ihnen kündigte
der Unterbutler weitere Neuankömmlinge an. »Sir Roderick Carstairs, Mr.
Nicholas DuVille ...«
Die Herzoginwitwe fuhr herum, wie
auch die anderen der kleinen Gruppe, die darauf wartete, vom Ausgang des Unternehmen
zu erfahren. Nicki blickte ihnen entgegen, und sein gutaussehendes Gesicht
wirkte ernst, als er langsam die Treppe zum Ballsaal herunterkam. »Es hat nicht
geklappt!« flüsterte Whitney schmerzerfüllt, als sie seinen Gesichtsausdruck
erkannte. »Wir haben versagt.«
Ihr Mann legte ihr den Arm um die
Taille und zog sie an sich heran. »Du hast es versucht, Liebling. Du hast alles
getan, was man tun konnte.«
»Das haben wir alle«, stimmte
Charity Thornton zu. Ihr Kinn zitterte, als sie traurig Hugh Whitticomb ansah
und dann zu Nicholas DuVille blickte.
»Der Earl und die Countess of
Langford!«
Die Ankündigung verursachte
augenblicklich heftige Reaktionen unter den Ballgästen. Sie sahen einander
überrascht an und wandten ihre Blicke zum Balkon, aber das war nichts im Vergleich
zu der Reaktion innerhalb der kleinen Versammlung von sieben Leuten, die einen
Funken Hoffnung aufrechterhalten hatten. Ein Ruck ging durch die ganze Gruppe;
Hände wurden blindlings ausgestreckt und von anderen Händen fest ergriffen;
Gesichter hoben sich dem Balkon entgegen, freudiges Lächeln breitete sich aus,
und Augen füllten sich mit Tränen.
In einem formellen schwarzen
Abendanzug mit weißer Weste und einem verzierten weißen Hemd trat Stephen
Westmoreland, Earl of Langford, auf den Balkon. An seinem Arm ging eine
Prinzessin wie aus dem Mittelalter, gekleidet in eine perlenbestickte,
elfenbeinfarbene Satinrobe mit einem tiefausgeschnittenen Mieder, das in der
Taille in ein V auslief. Eine Goldkette mit Diamanten und Perlen in jedem Glied
lag um ihre Hüften und schwang bei jedem Schritt mit, und ihre Haare flossen in
flammenden Wellen und schweren Locken über ihre Schultern und ihren Rücken.
»0 mein ...«, seufzte Charity
entzückt, aber ihr Ausruf ging unter im donnernden Applaus, der sich über den
ganzen Ballsaal ausbreitete und immer lauter wurde, bis er die Säulen zu
erschüttern schien.
Zweiundsechzigstes Kapitel
Es war seine Hochzeitsnacht.
Mit einem am Kragen geöffneten Hemd
und aufgerollten Ärmeln saß Stephen bei einem Glas Brandy in einem Lehnsessel
in seinem Schlafzimmer, die Füße auf einem niedrigen Tisch, und gab seiner Frau reichlich
Zeit, sich auszukleiden und ihre Zofen wegzuschicken.
Seine Hochzeitsnacht ...
Seine Frau ...
Er blickte sich überrascht um, als
sein Kammerdiener in das Zimmer trat. »Darf ich Ihnen heute abend behilflich
sein?« bot Damson an, als sein Herr über sein gewohntes Erscheinen verblüfft
zu sein schien.
Behilflich? Stephen unterdrückte ein
Lächeln. Seine Gedanken wollten sich nicht von der angenehmen Aufgabe, die vor
ihm lag, trennen und Damsons Angebot zuwenden, ihm heute abend behilflich
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