Julia Ärzte zum Verlieben Band 47
abgewetzte Pumps. Ihr kastanienbraunes Haar war mit einem weißen Band im Nacken zu einem Knoten geschlungen, und die Ponyfransen schien sie selbst geschnitten zu haben. Sie war nicht geschminkt und trug keinen Schmuck. Eine graue Maus.
Warum war sie überhaupt hier, wenn sie es nicht für nötig hielt, sich wenigstens ein bisschen hübsch zurechtzumachen? Leichte Schatten unter ihren grünen Augen und die Fältchen in den Augenwinkeln ließen sie älter erscheinen als neunundzwanzig. Was ihr allerdings herzlich egal zu sein schien. Ihre Miene verriet deutlich, dass sie genauso wenig Lust hatte, an diesem Tisch zu sitzen, wie er, wenn nicht noch weniger. Und das wollte etwas heißen.
Der Verwalter seiner australischen Grundstücke hatte ihm einen unterhaltsamen Abend versprochen, doch davon konnte bisher keine Rede sein. Im Gegenteil! Aber nun war er hier und konnte nicht einfach aufstehen und gehen, der Anstand erforderte zumindest Small Talk.
„Und, womit verdienen Sie sich Ihre Brötchen?“
„Ich kümmere mich um verletzte Wildtiere.“
So sah sie auch aus. Nicht, dass er etwas dagegen hatte, wenn jemand Gutes tat und die Welt verbessern wollte, aber … nun, so wirkte sie eben: selbstlos, hilfsbereit, eine Frau, die keine Zeit oder keinen Sinn für Äußerlichkeiten hatte.
„Dann hatten Sie nach dem Buschfeuer sicher viel zu tun.“
„Ja.“
Dr. Jake Hunter wusste nicht weiter. Vor einem halben Jahr hatte eine Feuersbrunst den gesamten Distrikt zerstört und auch diese kleine Gemeinde schwer mitgenommen. Sollte er vielleicht fragen, ob ihr Haus abgebrannt war oder ob Familie oder Freunde zu Schaden gekommen waren? Wohl kaum.
„Und was … was ist mit Ihnen?“, fragte sie und hörte sich auf einmal ziemlich verzweifelt an. Noch drei Minuten und fünfzig Sekunden, dachte er.
„Ich lebe in den USA, habe jedoch Grundstücke im Tal und oben auf den Hügeln. Ich bin hier, um sie mir anzusehen. Vielleicht verkaufe ich auch alles.“
„Hatten Sie Schäden?“
„Nicht der Rede wert. Mein Verwalter hat sich schon darum gekümmert. Er war es auch, der mich überredet hat, heute Abend herzukommen.“
„Speed-Dating ist also nichts für Sie?“
„Eigentlich nicht.“ Er entschloss sich, aufrichtig zu sein, denn sie sah nicht aus wie jemand, dem man ein X für ein U vormachen konnte. „Rob erzählte etwas von Männermangel, also habe ich mich breitschlagen lassen.“
„Sie haben keine Lust, hier zu sein?“
„Nein.“
„Dann verschwende ich nur Ihre Zeit.“ Ihre Erleichterung war nicht zu übersehen. Tori erhob sich, griff nach seiner Hand und drückte sie überraschend kräftig. „Da dies die letzte Runde ist, können wir ebenso gut sofort aufhören. Gute Nacht, Jake.“
Und dann lächelte sie, ganz unerwartet, und ihr Gesicht wirkte plötzlich wie verwandelt. Aber Jake blieb keine Zeit, das faszinierende Lächeln zu genießen. Sie hatte seine Hand bereits losgelassen und ging zielstrebig zum Ausgang. Ihre Dreizentimeterabsätze klackten auf dem polierten Parkett der Combadeen Hall.
Sie sieht völlig anders aus, dachte er verwirrt. Richtig süß, mit ihrem seidigen rotbraunen Haar und weiblichen Rundungen an genau den richtigen Stellen. Selbst der schlecht sitzende Rock konnte ihre schmale Taille nicht verbergen, und trotz der biederen Schuhe fiel Jake auf, dass Tori lange, wohlgeformte Beine hatte.
Und ihr Lächeln war einfach umwerfend.
Jake war nicht der Einzige, der ihr nachsah. Als sie die Tür aufzog, um sie gleich darauf hinter sich ins Schloss fallen zu lassen, drehten sich alle Köpfe nach ihr um.
Sein Fünf-Minuten-Date hatte ihn sitzen lassen. Wie gebannt von ihrem hinreißenden Lächeln saß er einfach da. Sollte er ihr folgen?
Nein. Sie hatte recht, Speed-Dating war nicht sein Ding.
Außerdem war er gar nicht auf der Suche nach einer Frau, sondern nur in Combadeen, um nach dem Besitz zu sehen, den er von seinem Vater geerbt hatte. Jake wollte das große alte Haus auf dem Hügel verkaufen und entscheiden, was mit der Lodge geschehen sollte. Und danach würde er den nächsten Flieger zurück in die USA nehmen. Was sonst? In New York wartete sein Job, Jake gehörte nicht nach Australien.
Warum sah er dann, fast bedauernd, einer grauen Maus hinterher?
Ihre beste Freundin hatte sie angelogen.
Es konnte nicht sein, dass eine Frau gefehlt hatte, wenn dieser Jake nur gekommen war, um den Frauenüberschuss auszugleichen. Er hatte ja deutlich durchblicken lassen, dass er nur
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