Julia Extra Band 362
hinterlassen, mit der Bitte, mich um Jeremy zu kümmern.“
„Und wer hat sich während dieser Zeit um dich gekümmert?“, fragte Riley vorsichtig.
Stace wandte sich ab. Darüber wollte sie nicht sprechen. Es tat zu weh. „Mir geht’s gut. Ich habe ja meine Arbeit.“
„Und wenn du nicht arbeitest?“
Musste er unbedingt den Finger in die offene Wunde legen? Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen? „Ich arbeite immer.“ Denn dann hatte sie keine Zeit, über ihr Leben nachzudenken, darüber, worauf sie verzichten musste: Studium, Ehe, Kinder …
„Vielleicht wird es Zeit, die Arbeit mal Arbeit sein zu lassen, Stace.“
Wortlos schüttelte sie den Kopf und ging die Anhöhe wieder hinunter. Hier würde sie heute keinen Trost finden. „Das geht nicht, Riley“, erklärte sie schließlich. „Das Morning Glory war der Lebensinhalt meines Vaters. Ich muss es weiterführen. Gerade jetzt, nach dem Umsatzeinbruch. Frank schafft das nicht allein.“
„Das verlangt ja auch niemand. Aber die Last sollte nicht ausschließlich auf deinen Schultern ruhen.“
Sie hatten jetzt den Wagen erreicht. Stace wollte nur noch fort. „Hör auf, das Leben zu kritisieren, das ich führe, Riley.“
Abwehrend hob er die Hände. „Das würde ich mir niemals erlauben. Ich versuche lediglich, dir andere Optionen aufzuzeigen.“
„Welche Optionen? Im Gegensatz zu dir habe ich keine Familie, die Stipendien vergibt und Gästehäuser zur Verfügung stellt. Ich bin ganz auf mich allein gestellt. Wenn ich nicht arbeite, kann ich Jeremy und mich nicht ernähren.“ Als sie merkte, was sie mit ihren unbedachten Worten angerichtet hatte, entschuldigte sie sich sofort. „Tut mir leid, das war unfair.“
„Nein, du hast ja recht.“ Behutsam schob er ihr eine feuchte Strähne aus der Stirn. „Eins habe ich während der vergangenen Tage gelernt: Man muss hart für seine Ziele arbeiten. Ich habe mich viel zu lange mit dem absoluten Minimum zufriedengegeben.“
Stace lachte amüsiert. „Dein absolutes Minimum hätte ich auch gern mal.“
Er grinste frech. „Vielleicht können wir einen Kompromiss schließen. Ich würde dir gern einige Vorschläge machen, wie man den Umsatz im Morning Glory steigern könnte.“
„Einverstanden.“ Seltsam, dass ausgerechnet Riley, um den sie eigentlich wegen seiner Playboyallüren einen großen Bogen machen sollte, ihr zur Hilfe kam. Schützend hielt er einen Regenschirm über sie, lächelte verständnisvoll und schlich sich heimlich, still und leise in ihr Herz.
Stace warf einen letzten Blick den Hügel hinauf. „Ich bin heute hergekommen, um meinem Vater von Jeremy und seiner neuen Schule zu berichten. Dad wäre sehr stolz.“ Verstohlen wischte sie sich eine Träne von der Wange. „Albern, oder? Ich weiß doch, dass er gar nicht hier ist. Aber es hilft mir einfach, ihm alles anzuvertrauen.“
„Oh Stace!“ Tröstend zog Riley sie an sich. Er fühlte sich warm und stark an und roch nach Seife. „Das ist nicht albern, sondern ganz natürlich.“
Vertrauensvoll schaute sie in seine sanften blauen Augen, in denen sich die gleiche Trauer widerspiegelte, die sie selbst empfand. Wortlos lagen Stace und Riley sich eine ganze Weile in den Armen.
„Ich komme auch oft her“, gestand er schließlich leise. „Meine Eltern liegen jenseits des Hügels. Sie sind vor zwanzig Jahren um Lebens gekommen, aber manchmal fühlt es sich für mich an, als wäre es gestern gewesen. Ich würde alle Stipendien und Gästehäuser dieser Welt hergeben, wenn ich meine Eltern zurückbekäme.“
„Das kann ich nur zu gut verstehen, Riley. Tut mir leid, dass ich das vorhin gesagt habe.“
„Schon vergessen. Der Spruch hätte auch von mir sein können.“ Er lächelte wehmütig. „Manchmal komme ich her, um Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Aber die kann man hier nicht finden, oder?“
Verständnisvoll schüttelte Stace den Kopf. „Nein. Ich wünschte, es wäre anders.“ Erneut kamen ihr die Tränen. Dieses Mal ließ sie ihnen freien Lauf und schmiegte sich Trost suchend an Riley.
Er hielt sie ganz fest und ließ sein Kinn auf ihrem Scheitel ruhen. Mit der anderen Hand hielt er schützend den Regenschirm über sie beide. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit fühlte Stace sich wieder geborgen. Und sie war es leid, sich gegen ihre Gefühle für Riley zu wehren.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie dort zusammen gestanden hatten. Jedenfalls hatte der Regen inzwischen nachgelassen, und die Tränen
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