Julia Festival ext.Weihnachten Band 05
Verhalten in den letzten Tagen in völlig anderem Licht betrachten. Als sie ihn jetzt anschaute, tat sie es mit Respekt.
Welche Pläne er auch für Weihnachten gehabt haben mochte, er hatte sie offensichtlich Andreas wegen aufgegeben. Und nicht nur das, er hatte sich jede erdenkliche Mühe gegeben, ihr ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Olivia bezweifelte, dass er sich unter normalen Umständen einen Baum ins Zimmer gestellt oder ein klassisches Festessen zubereitet hätte!
Was natürlich zu der Frage führte: Was für ein Mann war er eigentlich wirklich?
Nach der überraschenden Wende der Dinge wusste Olivia keine eindeutige Antwort darauf.
Wie kam sie jetzt aus dieser Situation wieder heraus, die sie sich wegen ihrer Vorurteile selbst eingebrockt hatte? Oder besser gesagt, wie konnte sie vor Ethan verbergen, was sie bis eben von ihm und seiner Vaterschaft gedacht hatte? Und sollte sie das überhaupt? Wäre es nicht aufrichtiger, offen ihren Fehler einzugestehen?
Das wohl schon, wurde ihr klar, aber es bestand die Gefahr, dass es den bislang harmonischen Weihnachtstag verdarb, den Ethan sich so für Andrea wünschte.
„Na, hast du darauf nichts zu sagen?“, fragte er herausfordernd, als sie weiterhin schwieg.
Olivia fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. „Ethan, ich …“ Sie machte eine Pause und holte bebend Luft. „Ich muss mich bei dir entschuldigen“, brach es dann aus ihr heraus. „Ich hatte zu schnell die falschen Vermutungen zur Hand. Und habe es zugelassen, dass sie mein Bild von dir bestimmten. Ich hatte kein Recht dazu.“ Olivia hörte sich plappern und sah seinem Gesicht an, dass er nicht das Geringste verstand. „Es tut mir leid“, schloss sie lahm.
„Das höre ich gern“, nahm er ihre Entschuldigung gnädig an. „Aber würde es dir etwas ausmachen, mir zu erzählen, wofür genau du dich entschuldigen willst?“
Sie zuckte zusammen. „Ich dachte, Andrea … Weißt du, Shelley hat nicht gesagt … du hast nicht gesagt …“
„He, Moment mal.“ Ethan runzelte die Stirn. „Berichtige mich bitte, wenn ich mich irren sollte, aber hattest du etwa angenommen, ich wäre Andreas Vater?“
Olivia verzog schuldbewusst das Gesicht. „Es war wirklich überheblich von mir …“ Sie unterbrach sich, als Ethan zu lachen anfing, und starrte ihn benommen an. „Das ist nicht lustig, Ethan“, erklärte sie dann ärgerlich. „Ich habe dich völlig falsch eingeschätzt …“
„Ja, das hast du“, grinste er. „Aber es ist dir hoch anzurechnen, dass du trotzdem zu uns gekommen bist.“
„Das war Andreas wegen“, bekannte sie verlegen.
Sein Gesicht wurde weich. „Sie ist wirklich süß, nicht wahr?“
„Das ist sie. Sie macht ihrer Mutter alle Ehre.“
„Da gebe ich dir recht“, meinte Ethan. „Und du hast wirklich geglaubt, ich hätte etwas mit Shelley gehabt?“
Olivia schluckte. Er war wieder ernst geworden.
„Sie ist erst zwanzig, Olivia!“
„Das war mir auch klar“, erklärte Olivia. „Ich … ich konnte nur zu keinem anderen Schluss kommen, als sie dir Andrea einfach hierließ“, verteidigte sie sich.
„Also, wie dir wohl nun auch klar sein wird, bin ich tatsächlich Vater. Mein Sohn Andrew, der erst einundzwanzig ist“, betonte er, „war Shelley vor gut einem Jahr begegnet.“
Andrea. Andrew. Bestimmt hatte das eine Bedeutung …
„Andrews Mutter und ich sind schon seit Jahren geschieden“, vertraute ihr Ethan an, „aber Andrew und ich haben dennoch ein enges Verhältnis. Shelley hatte ich nur kurz kennengelernt, als er sie einmal zum Essen mitbrachte.“
Nun begriff sie, woher er Shelley kannte. Und nicht wusste, wo sie wohnte …
Olivia hätte sich ohrfeigen und im Erdboden versinken können vor Scham. Wie hatte sie nur so dumm sein können!
„Und Shelley kam auch nur aus reiner Verzweiflung zu mir, denn als sie zu Andrew wollte, stand sie vor verschlossener Tür und erfuhr dann von den Nachbarn, dass er im Skiurlaub ist.“
Olivia riss die Augen auf. „Dein Sohn lebt in London?“
Ethan nickte. „Er studiert hier. Aber nicht dass du glaubst, der arme Kerl muss in einer Dachkammer hausen“, fügte er trocken hinzu. „Mit dem Geld, das er monatlich von mir bekommt, lebt Andrew sehr angenehm.“ Zu angenehm, sollte das wohl heißen.
„Du sagst, er ist Skifahren?“, fragte Olivia nach.
„Jetzt nicht mehr. Ich habe ihn gestern angerufen und ihm Beine gemacht. Man muss ihm aber zugute halten, dass er völlig
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