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Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit List und Küssen
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seinem
Bekanntenkreis, die sich ihm gegenüber völlig freimütig äußerte und auch mal
einen gesunden Sarkasmus an den Tag legte.
    Deswegen fuhr er so ungern zur Saison nach London: Die Frauen dort
zierten und spreizten sich und sagten immer nur das, was er ihrer Meinung nach
hören wollte.
    Und die Männer ebenfalls.
    Die Ironie an der Sache war, dass die Leute
dabei fast immer falschlagen. Er hatte nie Interesse an Speichelleckern gehabt.
Er hasste es, wenn man wie gebannt an seinen Lippen hing. Er wollte nicht, dass
man seine ganz und gar durchschnittliche Weste wegen ihrer bemerkenswerten
Passform und ihres Schnitts bewunderte.
    Nach Daniels Abreise gab es niemanden mehr, der ihn wirklich
kannte. Er hatte keine lebenden Verwandten, es sei denn, man ging auf der Suche
nach irgendeinem gemeinsamen Ahnen vier Generationen zurück. Er war das
Einzelkind eines Einzelkindes. Die Holroyds waren nicht gerade bekannt für
ihre Fortpflanzungsfreudigkeit.
    Er lehnte sich an einen Baum und beobachtete
Honoria, die jetzt müde und elend auf dem Boden saß. »Diese Gesellschaft ist
nicht ganz so erfolgreich, wie du dir das vorgestellt hast, nicht wahr?«
    Fragend sah sie zu ihm auf.
    »In deinem Brief hast du sie mir ja in den rosigsten Farben
geschildert.«
    »Na, ich wusste, dass du sie einfach fürchterlich finden würdest.«
    »Vielleicht hätte ich mich ja amüsiert«, sagte er, obwohl
beide wussten, dass das nicht stimmte.
    Das zog ihm einen weiteren ihrer Blicke zu. »Die Gesellschaft
hätte aus vier unverheirateten jungen Damen bestanden, vier jungen Herren von
der Universität, Mr und Mrs Royle und dir.«
    Und während er das noch verarbeitete, fügte sie hinzu: »Und
vielleicht einem Hund.«
    Er grinste
trocken. »Ich mag Hunde.«
    Honoria lachte leise. Dann nahm sie einen Zweig zur Hand, der neben
ihr lag, und begann Kreise in die Erde zu zeichnen. Sie wirkte so verloren, wie
sie da saß. Ein paar glatte Strähnen hatten sich aus ihrem Knoten gelöst. Sie
sah müde aus. Müde und ... noch etwas. Etwas, was ihm gar nicht gefiel.
    Sie wirkte
niedergeschlagen.
    Das war einfach falsch. Honoria Smythe-Smith durfte nicht
niedergeschlagen aussehen.
    »Honoria«,
begann er.
    Sie sah
abrupt auf. »Ich bin einundzwanzig, Marcus.«
    Er hielt inne, versuchte nachzurechnen. »Das kann doch nicht
sein.«
    Verdrossen presste sie die Lippen zusammen.
»Glaub mir, es ist so. Letztes Jahr gab es ein paar Gentlemen, von denen ich
dachte, sie würden sich für mich interessieren, aber keiner konnte sich zu
einem Heiratsantrag durchringen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß
nicht, warum.«
    Marcus räusperte sich und rückte dann angelegentlich sein
Krawattentuch gerade.
    »Wahrscheinlich war es ganz gut so«,
fuhr sie fort. »Ich konnte mich für keinen von ihnen erwärmen. Und einer von
ihnen war richtig ... also, ich habe einmal gesehen, wie er einen Hund getreten
hat.« Sie runzelte die Stirn. »Da konnte ich es unmöglich in Betracht
ziehen ... na, du weißt schon.«
    Er nickte.
    Sie richtete sich auf und
lächelte entschlossen. Vielleicht zu entschlossen. »Dieses Jahr will ich es unbedingt
besser machen.«
    »Gewiss doch.«
    Misstrauisch
sah sie ihn an.
    »Was habe
ich denn gesagt?«
    »Nichts. Aber du brauchst nicht
so herablassend zu sein.« Wovon zum Teufel redete sie? »War ich doch gar
nicht.«
    »Also bitte, Marcus. Du bist immer herablassend.«
    »Das musst du mir erklären!«, verlangte er in scharfem Ton. Sie
blickte ihn an, als könnte sie nicht glauben, dass er es nicht selbst sah.
»Ach, du weißt doch, was ich meine.«
    »Nein, ich weiß nicht, was du
meinst.«
    Sie stieß ein verächtliches Schnauben aus und kam auf die Füße.
»Du siehst die Leute immer so an.« Und dann zog sie ein Gesicht, das er
mit Worten nicht zu beschreiben gewusst hätte.
    »Wenn ich je so dreinschaue«, erklärte er trocken,
»genau so, dann darfst du mich erschießen.«
    »Da«, sagte sie triumphierend. »Genau
das meine ich.«
    Er begann sich zu fragen, ob sie dieselbe Sprache sprachen.
»Was?«
    »Das! Was du
eben gesagt hast.«
    Er verschränkte die Arme. Das schien ihm die einzig passende
Reaktion. Wenn sie nicht einmal in ganzen Sätzen reden konnte, sah er keinen
Grund, überhaupt etwas zu sagen.
    »Du hast die ganze letzte Saison damit zugebracht, mich finster
anzustarren. Immer wenn ich dich getroffen habe, hast du mich missbilligend
angeschaut.«
    »Ich versichere dir, dass das nicht in meiner Absicht gelegen
hat.«

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