Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit List und Küssen
Vom Netzwerk:
je einem Arzt begegnet zu sein, der noch kein graues Haar
hatte. »Es ist sein Bein«, sagte sie. »Sie haben das, glaube ich, nicht
gesehen, als ...«
    »Ich habe ihn noch gar nicht gesehen«, unterbrach er sie
brüsk. »Das war mein Vater.«
    »Oh.« Honoria trat einen Schritt zurück, als sich der junge
Mann über Marcus' Bein beugte. Lady Winstead, die hinter ihm den Raum betreten
hatte, stellte sich zu ihr.
    Und nahm dann ihre Hand. Dankbar drückte Honoria die Hand ihrer
Mutter, als wäre sie ihre Rettungsleine.
    Der junge Mann untersuchte Marcus' Bein bei Weitem nicht so lange,
wie sie es sich gewünscht hatte, beugte sich dann über ihn und legte ihm das
Ohr auf die Brust. »Wie viel Laudanum haben Sie ihm gegeben?«
    Honoria sah zu ihrer Mutter. Sie war diejenige, die es verabreicht
hatte.
    »Einen Löffel voll«, sagte Lady Winstead. »Vielleicht auch
zwei.«
    Der Arzt presste die Lippen aufeinander, richtete sich auf und sah
sie an. »Waren es nun einer oder zwei?«
    »Schwer zu sagen«, erwiderte Lady Winstead. »Er hat nicht
alles hinuntergeschluckt.«
    »Ich musste ihm das Gesicht abwischen«,
warf Honoria ein.
    Der Arzt enthielt sich jeden Kommentars. Stattdessen legte er noch
einmal das Ohr an Marcus' Brust, und seine Lippen bewegten sich, fast als
zählte er. Honoria wartete, bis sie es nicht länger
aushielt, und sagte: »Doktor, ähm ...«
    »Winters«, ergänzte ihre Mutter.
    »Ja, ähm, Doktor Winters, bitte sagen Sie uns, haben wir ihm zu
viel gegeben?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Dr. Winters, hatte das Ohr
aber immer noch an Marcus' Brust. »Das Opium dämpft die Lungenfunktion,
deswegen geht der Atem so flach.«
    Entsetzt schlug Honoria die Hand vor den Mund. Sie hatte nicht
einmal bemerkt, dass sein Atem immer noch flach ging. Im Gegenteil, sie hatte
gedacht, er klinge besser. Friedlicher.
    Der Arzt richtete sich auf und begutachtete Marcus' Bein. »Es ist
unerlässlich, dass ich alle sachdienlichen Informationen erhalte«,
erklärte er barsch. »Ich wäre viel besorgter, wenn ich nicht gewusst hätte,
dass er Laudanum bekommen hat.«
    »Sie sind nicht besorgt?«, fragte Honoria
ungläubig.
    Doktor Winters sah sie scharf an. »Ich habe nicht gesagt, dass ich
nicht besorgt bin.« Er wandte sich wieder Marcus' Bein zu und untersuchte
es aufmerksam. »Nur, dass ich noch besorgter gewesen wäre, wenn ich nicht
gewusst hätte, dass man ihm das Mittel verabreicht hat. Wenn sein Atem ohne
Laudanum so flach ginge, würde das auf eine schwere Infektion hindeuten.«
    »Diese hier ist nicht schwer?«
    Der Arzt warf ihr einen verärgerten Blick zu. »Behalten Sie Ihre
Kommentare freundlicherweise für sich, bis ich mit der Untersuchung fertig
bin.«
    Honoria spürte, wie sich ihr Gesicht vor Zorn verkrampfte, doch
sie trat noch einen Schritt zurück. Sie würde höflich zu Doktor Winters sein,
und wenn sie an ihrer Wut erstickte – wenn jemand Marcus retten konnte, dann
er.
    »Erklären Sie mir genau, wie Sie die Wunde gesäubert haben.«
Der Arzt sah kurz von Marcus' Bein auf. »Und ich möchte außerdem wissen, wie
sie ausgesehen hat, bevor Sie damit angefangen haben.«
    Abwechselnd erzählten Honoria und ihre Mutter, was sie getan
hatten. Er schien es zu billigen, oder zumindest missbilligte er es nicht. Als
sie fertig waren, wandte er sich wieder Marcus' Bein zu,
betrachtete es ein letztes Mal und stieß die Luft aus.
    Honoria wartete kurz ab. Der junge Arzt nahm sich offenbar viel
Zeit zum Nachdenken. Verdammt, er brauchte ja ewig dazu. Schließlich
ertrug sie es nicht länger. »Was meinen Sie?«, platzte sie heraus.
    Doktor Winters sprach langsam, so, als dächte er laut nach.
»Vielleicht kann er das Bein behalten.«
    »Vielleicht?«,
wiederholte Honoria.
    »Für eine endgültige Aussage ist es noch zu früh. Aber wenn er es
behalten kann, dann ...«, er sah Honoria und ihre Mutter an, »... ist das
nur auf Ihre gute Arbeit zurückzuführen.«
    Honoria blinzelte überrascht – ein Lob hatte sie nicht erwartet.
Dann stellte sie die Frage, vor deren Beantwortung sie die größte Angst hatte:
»Wird er es überleben?«
    Der Arzt begegnete Honorias Blick mit aufrichtigem Ernst. »Wenn
wir das Bein amputieren, sicherlich.«
    Honorias Lippen zitterten. »Wie meinen Sie das?«, flüsterte
sie. Sie wusste zwar, was er meinte, aber sie wollte, dass er es aussprach.
    »Ich bin zuversichtlich, dass er es überleben wird, wenn ich ihm
das Bein jetzt abnehme.« Er sah zu Marcus hinüber, als böte

Weitere Kostenlose Bücher