Julia Saison Band 13 (German Edition)
er mal eine Auszeit. Herzukommen, um sein Erbe anzutreten, gab ihm die Gelegenheit, Abstand zu gewinnen, nachzudenken und eine Idee zu entwickeln, mit der Sutcliffe’s gerettet werden konnte. Außerdem war es ein willkommener Vorwand, um vor den unablässigen Forderungen des Firmenvorstands zu flüchten, Parker solle heiraten, um ein paar positive Schlagzeilen zu machen. Diese wären nach dem Tod seines Vaters jetzt dringend notwendig.
Ihre Anspielungen, dass er kein guter Ersatz als dynamischer Repräsentant der Firma war, sie aber durch eine Heirat retten könne, hatten in letzter Zeit für große Spannungen gesorgt. Die Reise nach Las Vegas bot ihm einen guten Grund für seine Abwesenheit, denn er brauchte unbedingt etwas Ruhe und Zeit für sich.
Er drehte den Türknopf der verlassenen Kapelle, doch die Tür war nicht verschlossen. Das Gebäude war auch nicht verlassen oder still.
Parker wurde von einer Geräuschkulisse voller falscher Töne empfangen. Während er hinten stehen blieb, fand vorne eine Hochzeit statt. Auf einer erhöhten Bühne schmetterte ein Elvis-Darsteller, der aussah, als wäre er mindestens zehn Jahre zu alt, das Ende von ‚It’s Now or Never‘. Eine Braut und ein Bräutigam, die offensichtlich nichts von der Musik mitbekamen, lächelten einander an.
Flüchtig glaubte Parker, in einer Reality Show gelandet zu sein. Oder vielleicht erlaubte sich jemand einen Spaß mit ihm. Aber wenn seine Teilhaber aus Boston meinten, sie könnten ihn zu einer Hochzeit überreden, indem sie ihn mitten in eine hineinwarfen, hatten sie sich auf jeden Fall die falsche Hochzeit ausgesucht.
Als die letzten Töne verklangen, eilte jemand ganz in Rosa aus dem Seitengang auf ihn zu. „Es tut mir so leid. Jetzt haben Sie den größten Teil verpasst.“
Parker blickte hinunter auf eine zierliche junge Frau mit langen, kupferfarbenen Locken und einem grauenvollen quietschrosa Kleid.
Sie musterte seinen dunklen Anzug. „Sie müssen ein Freund oder Verwandter des Brautpaars sein. Aber keine Sorge. Meistens sind sie so aufgeregt, dass ihnen ein verspäteter Gast gar nicht auffällt. Es sei denn, Sie gehören zur Familie?“
„Nein, gar nicht. Ich …“
„Dann ist es ja gut. Da kommen die beiden schon. Nehmen Sie das.“ Sie drückte ihm etwas in die Hand. „Der Empfang findet draußen statt. Den Flur entlang und durch die Tür.“
Parker zog die Brauen zusammen. „Empfang? Sie irren sich. Ich bin nicht …“
„Schnell“, meinte sie. „Sie kommen, und bei diesen kleinen Hochzeiten brauchen wir so viel jubelndes Publikum, wie wir kriegen können.“ Sie griff nach seiner Hand und versuchte, ihn hinter sich herzuziehen.
Er rührte sich nicht. „Hören Sie, Ms … Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber wir müssen miteinander reden.“
„Mr … Ich weiß auch nicht, wer Sie sind, aber das hier ist eine Hochzeit. Die Leute haben bezahlt. Es ist der wichtigste Tag in ihrem Leben, und reden können wir später immer noch.“ Die junge Frau wandte sich zum Gehen. Dann fuhr sie plötzlich wieder herum, einen ängstlichen Ausdruck in ihren großen braunen Augen. „Sie sind doch kein Geldeintreiber oder so was?“
Parkers Miene verfinsterte sich. „Nein, aber …“
„Von der Polizei?“
„Sehe ich etwa aus wie ein Polizeibeamter?“
Sie warf einen Blick auf seinen Anzug. „Richtig. Es sei denn, Polizisten tragen inzwischen italienische Designermode. Okay, dann los. Wir reden nachher. Und bringen Sie Ihre Seifenblasen mit.“
„Seifenblasen?“, murmelte er verständnislos. Doch da die Hochzeitsgesellschaft dicht hinter ihm war, folgte er der hübschen, wenn auch leicht verrückten Rothaarigen.
Kaum hatten sie eine winzige Rasenfläche von der Größe einer Briefmarke hinter den weißen Zwillingsgebäuden erreicht, da erschien auch schon das Brautpaar.
„Herzlichen Glückwunsch!“ Die hübsche Frau in Rosa öffnete ihr kleines weißes Röhrchen mit Seifenblasen und blies eifrig los, die Lippen auf eine Weise gespitzt, die manche Männer vermutlich sexy genannt hätten.
Parker war jedoch verärgert. Diese Frau brachte seinen sorgfältig geplanten Tag durcheinander, und besonders seine Flucht vor allem, was mit Hochzeiten zu tun hatte. Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick, der noch einmal deutlich machte, was für erstaunlich ausdrucksvolle Augen sie besaß. Sofort unterdrückte Parker diesen Gedanken. Er war nicht auf der Suche nach einer Frau. Schon gar nicht nach einer zierlichen
Weitere Kostenlose Bücher