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Ein EKG fuer Trimmel

Ein EKG fuer Trimmel

Titel: Ein EKG fuer Trimmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Werremeier
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Es gehe nicht an, sagte mir ein prominenter Hamburger Urologieprofessor in einem Fernsehstreitgespräch nach der Erstveröffentlichung dieses Buches, ausgerechnet in einer zwar kritischen, ›leider‹ jedoch auch spannenden Kriminalgeschichte die Leiden und Beschwernisse kranker Menschen zu behandeln; vor allem die Vorstellung, in der Humanmedizin könnten überhaupt andere Gedanken als das Patientenwohl eine Rolle spielen, sei in diesem Zusammenhang brandgefährlich. Ich wies dann unter anderem darauf hin, daß nach meinen Erkundigungen in den USA immerhin folgendes Phänomen zu beobachten gewesen sei, das uns nachdenklich stimmen sollte:
    Solange sich die ärztliche Kunst der Nierentransplantation noch im experimentellen Stadium befand und Überlebenszeiten wie Überlebensquoten bedrückend niedrig waren, gehörten neun Zehntel aller Empfänger zum farbigen und grundsätzlich sicher finanzschwächeren Teil der amerikanischen Bevölkerung. Seit jedoch gerade die Verpflanzung von Nieren zum therapeutischen Alltag gehört, sind unter den Empfängern der Organe deutlich die ›reichen‹ Weißen überrepräsentiert; man könne, in Anbetracht dessen, sicher nicht ganz vorbehaltlos behaupten, es gehe im Bereich der Heilkunde immer alles mit rechten Dingen zu.
    Wir seien aber nun mal nicht die Vereinigten Staaten, wurde ich damals barsch zurechtgewiesen, und diesem Vorwurf hatte ich lange Zeit nichts entgegenzusetzen. Heute, immerhin, kann ich mich in dieser Hinsicht dahingehend äußern: Erstens, bis vor kurzem durfte man durchaus der Überzeugung sein, die Bundesrepublik Deutschland habe zwar ihre Fehler und Schwächen, sei jedoch sicherlich keine Bananenrepublik. Zweitens, gerade dazu muß man nach einigen Ereignissen der letzten Zeit inzwischen eine differenziertere Meinung vertreten. Drittens ist die damit angesprochene Korruption auf dem wirtschafts-, finanz- und parteipolitischen Sektor beispielhaft für einen wuchernden Filz auf sämtlichen Gebieten unseres Daseins, wie durch tausend und abertausend Beispiele der letzten Jahre belegt worden ist – und schon von daher ist längst nicht mehr einsehbar, warum ausgerechnet der weite Bereich Medizin hier noch als weißer Fleck auf der deutschen Karte geltend gemacht werden könne.
    Wer, beispielsweise, hätte noch Ende 1983 gedacht, daß ein deutsches Strafgericht gleich zu Beginn des Jahres 1984 öffentlich den Verdacht äußern würde, ein leibhaftiger Star der deutschen Medizinszene hätte einen bankrotten Ex-Banker absichtlich eher kränker als gesünder gemacht, um ihm die ›Peinlichkeit‹ einer Gerichtsverhandlung zu ersparen? Wer hätte es für möglich gehalten, daß angesehene bundesrepublikanische Ärzte unter dem Verdacht verbotener Honorarabsprachen nach dem Kartellgesetz angeprangert würden? Oder sich schlicht als gemeine Betrüger verantworten müßten?
    Vor solchen Hintergründen habe ich nach reiflicher Überlegung darauf verzichtet, meine Geschichte bei ihrer Überarbeitung dem aktuellen Stand der Wissenschaft, vorrangig der Medizin und der Computertechnik, ›mit Gewalt‹ anzupassen. Wichtiger erschien letztlich mir die Antwort auf die Frage, ob ihre ›innere Mechanik‹ noch stimmt. Sie lautet uneingeschränkt: ja.
     
    Januar 1984
    F. W.

1
     
     
     
    Der Mann, der am 21. November, ausgerechnet am Totensonntag, in einem der auf englisch getrimmten Pubs am Hamburger Gänsemarkt sitzt, hat mit einem Mal Sehnsucht nach seinem Freund Mike, mitten in der grauen Millionenstadt; es spricht einiges dafür, daß er, im klinischen Sinne, ein bißchen verrückt ist. Vor dem Mann steht ein Halbliterkrug mit dunklem, bittersüßem Bier, und neben ihm tummelt sich das, was sich hier, Tag und Nacht, dauernd tummelt: Jungen mit Mädchen. Mädchen mit Jungen. Jungen mit Jungen, das vor allem.
    »Herr Ober, bitte zahlen!« ruft der Mann. Er heißt Jacob Tennessy und wird Jake genannt. Als der Ober nicht sofort erscheint, wächst seine irrationale Sehnsucht nach Mike und außerdem das bestimmte Gefühl, daß es Mike – dazu noch am Sonntag – nicht anders geht.
    »Ich bin ja schon unterwegs, Guter!« Jacob ›Jake‹ Tennessy hat halblaut vor sich hin gesprochen. Als der bärtige Junge, der am Nebentisch sitzt, herüberschaut, erkennt er, daß die Hände des Mannes zittern.
    Jake nimmt einen letzten Schluck Bier und stellt den Krug so weit von sich weg wie nur eben möglich. Nichtraucher, der er ist, sieht er um sich herum Wände von Tabaksqualm – dicke,

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