Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
dass die Ultrakauf-Filiale in der Mayerlinggasse aufgesperrt worden war. Ich hatte mich über die Eröffnung gefreut. Endlich ein großer Supermarkt mit einem guten Warenangebot und einem Parkplatz nicht allzu weit von meiner Wohnung. Erst heute fiel mir auf, dass der flache Bau mit seiner futuristischen Alufassade und der Glasfront auf der Seite der Eingangstüren nur zum Teil für die Öffentlichkeit zugänglich war. Gut ein Viertel seiner Fläche bestand offenbar aus Lagerräumen. Dort waren die Cognac-Kartons. Hatte ich mir je über die Kassiererinnen oder Verkäuferinnen Gedanken gemacht? Mir waren einige sympathischer, einige weniger sympathisch. Immer wieder schienen neue Gesichter dazuzukommen. Der Filialleiter war ein Mann, und das fand ich irgendwie absurd. Politiker sprachen immer wieder gerne von der »Supermarktkassiererin«, vor allem dann, wenn über Sozialpolitik gestritten wurde. Die »Supermarktkassiererin« diente ihnen als statistisches Ausstellungsstück. Man sollte sie einen Monat von dem leben lassen, was eine Kassiererin verdiente. Oder eine Fleischerin. Ich kramte nach einer Münze für den Einkaufswagen.
    Nieselregen hatte eingesetzt. Ein typischer Oktobertag. Ich sehnte mich fort. In New York hatten die Supermärkte rund um die Uhr geöffnet. Nachtschichten, weil irgendein Spinner den Zucker vergessen hatte oder kurz nach Mitternacht Lust auf Pastrami bekam. Ich saß immer noch im Auto, sah den feinen Regenschlieren zu, die über die Windschutzscheibe nach unten glitten, und reiste im Kopf ins Veneto. Bei Armando war Pilzsaison, allein die Vorstellung seiner Menüs trieb mir das Wasser im Mund zusammen. Im Hotel bei Gianni würde schon das Feuer im großen offenen Kamin prasseln. Das Veneto war eine Gegend für alle Jahreszeiten, etwas, das man von Wien nun wirklich nicht behaupten konnte. Wien hatte ich am liebsten, wenn es im Sommer wie ausgestorben wirkte. Oder wenn frischer Schnee gefallen und auf den Straßen liegen geblieben war. Dann war Wien verwunschen leise, alles stand still, und selbst die Flüche der Autofahrer hatten nichts von ihrer üblichen Aggressivität.
    Ich stieg aus, ging rasch die paar Meter durch den Regen, nahm einen Einkaufswagen, schob ihn durch die gläserne Drehtüre, vorbei an dem Werbeplakat mit den Sonderangeboten der Woche, und sah den Kassiererinnen aufmerksamer als sonst ins Gesicht.

4.
    Oskar war ein einfühlsamer Liebhaber, ich genoss seine Zärtlichkeit und sein überraschendes Temperament. Es gab für mich einige Gründe, nicht ohne Mann zu leben, guter Sex war einer davon. Trotzdem war ich heute nicht voll bei der Sache. Er musste es bemerkt haben, runzelte die Stirn und fragte. »Was ist los? Willst du mich nicht mehr?« Ich schüttelte den Kopf, drehte mich dennoch etwas weg von ihm und sah aus dem Fenster. »Natürlich will ich dich. Nur: Die Supermarktfrauen gehen mir nicht aus dem Sinn. Weißt du, dass sie nicht einmal billiger einkaufen können? Sie bezahlen dasselbe wie ich.«
    »Viel kann ich als Lover nicht taugen, wenn dich so was ablenkt.«
    Sein Mangel an Selbstwertgefühl verblüffte mich immer wieder. »Was willst du hören?«, sagte ich sanft und streichelte über seinen Nasenrücken, »dass du großartig bist? Du bist großartig. Du hast sogar bemerkt, dass ich abgelenkt bin. Ich möchte eine Story über die Frauen im Supermarkt schreiben. Als Aufhänger könnte ich ja vielleicht den vertuschten Überfall nehmen oder den Unfall im Lager.«
    »Du hast mir doch erzählt, dass über den Überfall nicht gesprochen werden darf. Woher solltest du also davon wissen, ohne dass die Frauen Probleme mit der Geschäftsleitung bekommen?«
    Ich seufzte. »Ob die Frauen fair behandelt werden?«
    »Was heißt schon ›fair‹?«
    »Was heißt ›fair‹?«, fragte mich Vesna, als wir am nächsten Morgen in der Küche bei einem Espresso saßen. »Arbeit im Supermarkt ist nicht so schlecht. Außerdem: Frauen sind auch selber schuld. Was lassen sie sich Kinder machen und alle Arbeit umhängen? Dann müssen sie schlechte Jobs nehmen. Und: Was kümmern sie sich nicht um anderen Job, wenn sie den nicht mögen? Können sie auch putzen gehen oder sonst was tun.«
    Es galt, etwas nachzulegen. »Grete Berger vermutet, dass die Cognac-Kartons nicht zufällig umgefallen sind, man wollte ihre Kollegin erschlagen, weil sie aufgemuckt hat.«
    Vesna sah mich nun aufmerksam an. »Aber Beweise gibt es nicht? Und welchen Verdacht?«
    Ich zuckte mit den Schultern.

Weitere Kostenlose Bücher