Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
doch, wieder gesund zu werden. Sie haben doch noch große Pläne
für die Zukunft! Was ist mit Ihren literarischen Ambitionen? Wie wird es mit Vince
Stark und Olivia Spirelli weitergehen? Wollen Sie das Angebot meiner Lektorin wirklich
ausschlagen?
Detektiv: Wir
haben noch mal nachverhandelt und eine Lösung gefunden. Ich werde das Manuskript
etwas überarbeiten, Olivia Spirelli stärker in den Mittelpunkt rücken und Vince
Stark in einer Nebenrolle positionieren. Wenn ich dann noch die ökologischen und
politischen Schwerpunkte etwas reduziere, die Beziehungsebene stärker betone und
den Schauplatz nach Cornwall verlege, ist der Verlag bereit, das Werk mit einer
Startauflage von 5.000 Stück in der Reihe ›Gefährliche Leidenschaft‹ unterzubringen.
Klient: Tatsächlich?
Unter Ihrem Pseudonym Raoul Rockwell?
Detektiv: Das
geht natürlich nicht. Zu reißerisch, zu hart, sagt die Lektorin. Wir haben uns vorerst
auf den Autorennamen ›Sergio Sentimento‹ geeinigt.
Klient: Hm, das klingt doch
sehr poetisch, gefühlvoll und – zugegeben – ein wenig feminin. Sie wirken nicht
ganz glücklich über diese Entwicklung, Karl. Ärgern Sie sich nicht drüber. Als
Autor muss man am Anfang immer bereit sein, Zugeständnisse zu machen und
Kompromisse einzugehen. Wenn Sie erst den Durchbruch geschafft haben, können Sie die Bedingungen diktieren!
Detektiv: Sie
müssen es wissen. Was ist mit Ihrer Krimireihe, Jacques? Werden Sie Alfonse Antolini
wieder genesen lassen?
Klient: Ich
denke ja. Ich habe da schon eine Idee.
Detektiv: Verraten
Sie mir mehr?
Klient: Warum
nicht? Antolini braucht definitiv ein Spenderorgan, um zu überleben. Und durch einen
noch zu konstruierenden dramaturgischen Kniff landet der potenzielle Spender in
Antolinis Praxis als Analysand auf der Couch.
Detektiv: Das
ist genial. Wie bringt Antolini ihn um?
Klient: Überhaupt
nicht. Nicht direkt jedenfalls. Antolini beginnt eine ganz normale psychoanalytische
Therapie mit seinem neuen Patienten. Nur dass diese Analyse nicht das Ziel hat,
den Patienten von seinen Neurosen zu befreien, …
Detektiv: …
sondern das Ziel, ihn in den kalkulierten Suizid zu treiben! Er manipuliert das
Unterbewusstsein seines Patienten, bis sich dieser das Leben nimmt. Psychoanalyse
als Waffe, Therapieziel Tod. Der perfekte Mord. Sie sind ein Genie, Jacques!
Klient: Nun
ja, man gibt sich Mühe. Erinnern Sie sich an unser Gedankenspiel, Karl? Unsere Gespräche
hier in Ihrer Detektei, verdichtet zu einem Kammerspiel auf der kleinen Bühne des
Staatstheaters? Nähmen wir einmal an, es wäre so: Wie könnten wir den Zuschauer
jetzt noch mit einer zündenden Schlusspointe überraschen?
Detektiv: Keine
Ahnung, Jacques. Ich fühle mich leer und ausgebrannt. Zum Fabulieren fehlt mir die
Energie. Und mir geht diese Szene zwischen Zietlow und Fliedmann unten vor der Bar
nicht aus dem Kopf. Und diese Sache mit dem Whisky im Abhörgerät.
Klient: Ich
bitte nochmals in aller Form um Entschuldigung für dieses Versehen. Ich verspreche
Ihnen, für den Schaden …
Detektiv: Ein
Versehen? Tonbandgeräte sind vielleicht nicht mehr sehr verbreitet, aber dass sich
diese Spulen drehen, wenn man eine Aufnahme startet …
Klient: … hätte
ein Mann in meinem Alter wissen müssen. Sorry noch mal.
Detektiv: Es
sei denn …
Klient: Was?
Detektiv: Es
sei denn, es war Absicht.
Klient: Ich
schlafe doch schon mit Ihrer Exfrau. Mehr Kränkung geht eigentlich gar nicht. Warum
sollte ich Ihnen noch Ihr elektrisches Spielzeug kaputt machen?
Detektiv: Vielleicht
ging es nicht darum, mich zu ärgern. Vielleicht sollte ich nicht mit anhören, was
zwischen Fliedmann und dem jungen Schauspieler passierte.
Klient: Warten
Sie, ich hole mir gleich einen Block und einen Stift für Notizen. Ihre Fieberfantasien
sind eine Goldgrube für jeden Autoren. Warum also durften Sie die Auseinandersetzung
nicht mit anhören?
Detektiv: Weil
dieser Herr am Tisch gar nicht Fliedmann war, sondern ein völlig Unbeteiligter.
Klient: Der
sich einfach so mit unserem Schauspieler eine hitzige Auseinandersetzung liefert?
Detektiv: Wie
würden Sie reagieren? Sie sitzen entspannt in einem Café, ein junger Mann setzt
sich plötzlich zu Ihnen, erzählt Ihnen eine wirre Geschichte über das Herz Ihrer
Tochter, das angeblich in seiner Brust schlägt? Nicht die Art von Erlebnis, bei
dem man cool sitzen bleibt, wenn Sie mich
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