Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
Prolog
Rünz steckte sich eine Roth-Händle
in den Mundwinkel und zog die Streichhölzer aus der Hosentasche.
»Nichtraucherzone«,
knurrte der Filialleiter missmutig, ohne von seinen Unterlagen aufzublicken. Dann
schaute er Rünz vorwurfsvoll an. »Sie haben in den vier Wochen, die Sie bei uns
sind, keinen einzigen Ladendieb dingfest gemacht.«
»In Ihrem
Laden wird halt nicht geklaut, seien Sie doch froh«, nuschelte Rünz mit dem kalten
Stängel zwischen den Lippen.
»In meinem
Baumarkt wird alles geklaut, was nicht festgeschweißt ist. Wir mussten bei der letzten
Inventur fünf Prozent ungeklärte Abgänge verbuchen.«
»Tja, sieht
so aus, als hätte mein Vorgänger die Lage nicht im Griff gehabt«, konterte Rünz.
»Ihr Vorgänger
hat im Schnitt pro Tag anderthalb Ladendiebe gefasst. Sie keinen einzigen. Wie erklären
Sie sich das?«
»Der Typ
hatte offensichtlich keine abschreckende Wirkung. Prävention ist alles. Wenn die
Kunden mich sehen, traut sich keiner mehr, sich was in die Hosentaschen zu stecken.«
»Die Kunden,
die Sie mit Ihrem Trenchcoat, dem hochgestellten Kragen, der Sonnenbrille und diesem
dämlichen Hut sehen, vergessen vor Lachen das Einkaufen. Ich könnte genauso gut
Oliver Pocher im Bikini als Ladendetektiv hinstellen, der würde nicht weniger auffallen.
Ich hatte schon zwei Anfragen von Leuten, die Sie für Betriebsfeste buchen wollten.
Und gestern stand hier ein Vater mit seiner Tochter und beide haben Stein und Bein
geschworen, in der Farbenabteilung würde ein Exhibitionist rumlaufen.«
»Ich halte
den Trenchcoat grundsätzlich geschlossen,« widersprach Rünz entschieden.
Der Filialleiter
schaute wieder auf seine Unterlagen und schüttelte resigniert den Kopf. »Nein, Herr
Rünz, ich glaube, Ihre zwanzig Jahre Erfahrung in der Mordkommission helfen uns
hier nicht weiter. Bitte, Ihre Papiere. Suchen Sie sich was anderes. Arbeiten Sie
als Nachtwächter im Landesmuseum oder als Türsteher in einer Seniorendisco. Irgendwas
werden Sie schon finden. Notfalls schreiben Sie einen Roman oder machen Sie eine
Detektei auf, so was geht immer. Alles Gute für die Zukunft.«
Erster Akt
1
Detektiv: Kann
ich Ihnen etwas anbieten, Herr Lakan? Scotch? Bourbon? Pur
oder on the rocks?
Klient: Ein
Mineralwasser vielleicht, danke. Interessante Inneneinrichtung haben Sie. Passt
zu Ihrem exklusiven Getränkeangebot. Ein wenig old-school, würde ich sagen. Ungewöhnlich
für eine Detektei, finden Sie nicht?
Detektiv: Ich
hoffe, es gefällt Ihnen! Ich bin ein Fan der Schwarzen Serie, dieser alten amerikanischen
Detektivstreifen aus den Vierzigern und Fünfzigern. Deswegen auch der Ventilator,
die Jalousien, das alte Telefon, die gusseiserne Schreibmaschine und das ganze Zeugs.
Hat mich monatelange Flohmarkt-Recherche gekostet. Und ich hasse Flohmärkte. Ist
doch für die Klienten mal was anderes als diese schmucklosen Buchhalter-Hinterzimmer.
Hier, Ihr Mineralwasser. Stört es Sie, wenn ich rauche?
Klient: Danke.
Nein, nur zu – aber sind Sie sicher, dass Ihnen das guttut? Ihr Husten klingt übel.
Detektiv: Sorry,
habe erst vor ein paar Wochen angefangen mit der Qualmerei. Das mit den Lungenzügen
macht mir noch ganz schön zu schaffen. Kostet ziemlich Überwindung.
Klient: Sie
haben in Ihrem Alter angefangen zu rauchen? Mein Gott, Sie meinen es wirklich ernst
mit Ihrem Bogart-Image. Jetzt verstehe ich natürlich auch Ihr Firmenschild ›Private
Investigations‹.
Detektiv: Von
nichts kommt nichts. Im Polizeipräsidium hatte ich diesen schneidigen Sven Hoven
als Vorgesetzten, der mir immer einhämmerte, ich solle konsequent meine Unique Selling
Points herausarbeiten und auf stimmiges Corporate Design achten. Nun – ich denke,
ein wenig davon ist bei mir hängen geblieben.
Klient: Sie
waren Polizist?
Detektiv: Ermittler.
Mordkommission, um genau zu sein. Ich habe die Ermittlungsgruppe Darmstadt City
geleitet. Dreiundzwanzig Jahre lang.
Klient: Dann
ist diese Detektei Ihr Zeitvertreib für den dritten Lebensabschnitt? So wie sich
andere Pensionäre Ihren Modelleisenbahnen, Schrebergärten und Bierbäuchen widmen?
Detektiv: Nicht
ganz. Das Präsidium hat mich in den Vorruhestand geschickt. Ich will es mal so ausdrücken:
Zwischen meinem Vorgesetzten und mir existierten unüberbrückbare Differenzen, was
die Ausgestaltung der Ermittlungsarbeit anging. Und dann war da noch ein unangenehmer
Zwischenfall mit einem guten Freund und Kollegen. Was
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