Kanonenfutter
dann kam Nebel auf. Wir mußten draußen ankern.«
Er sah plötzlich die Gesichter der Destin y vor sich, die er verlassen hatte. Wie sehr er sie in diesem Augenblick gebraucht hätte: Dumaresq, der zur Admiralität gefahren war, um den Verlust des Schatzes zu erklären oder dafür beglückwünscht zu werden, daß er ihn dem Feind entzogen hatte. Palliser, der das Kommando über eine in Spithead liegende Brigg bekommen hatte. Der junge Jury, dessen Stimme übergekippt war, als sie einander zum letztenmal die Hände geschüttelt hatten.
»Ich habe von euren Unternehmungen gehört. Dumaresq scheint sich einen Namen gemacht zu haben. Ich hoffe wenigstens, daß die Admiralität es so sieht. Dein Bruder ist auf See.«
Bolitho versuchte, seine Gefühle zu beherrschen. Worte, nur Worte. Er wußte, daß sein Vater so war: »Haltung.« Es war immer eine Frage der »Haltung« für ihn, zuerst und vor allem.
»Ist Nancy zu Hause?«
Sein Vater sah ihn kühl an. »Auch das kannst du nicht wissen: De ine Schwester hat den jungen Lewis Roxby, den Sohn des Squires, geheiratet. Deine Mutter sagte, das sei die beste Lösung nach der anderen Geschichte.« Er seufzte: »So ist das also.«
Bolitho lehnte sich im Stuhl zurück und preßte die Schultern gegen das geschnitzte Eichenholz, um seinen Schmerz zu bändigen.
Sein Vater hatte die See verloren, und jetzt war er auch noch allein in diesem großen Haus mit der Aussicht auf die Hänge von Pendennis Castle und auf das Kommen und Gehen auf der Reede von Carrick. Alles eine ständige Erinnerung an das, was er verloren hatte, was ihm genommen worden war.
Er sagte vorsichtig: »Die Destiny ist außer Dienst gestellt, Vater. Ich kann bleiben.«
Es war, als hätte er einen furchtbaren Fluch ausgestoßen. Captain James marschierte vom Fenster auf ihn zu und blickte auf ihn herab.
»Das will ich nicht hören! Du bist mein Sohn und ein Offizier des Königs. Seit Generationen sind wir von diesem Hause ausgezogen, und einige sind niemals zurückgekommen. Es liegt Krieg in der Luft, da werden alle unsere Söhne gebraucht.« Er machte eine Pause und setzte dann sanft hinzu: »Vor zwei Tagen kam ein Bote: Ein neues Kommando wartet auf dich.«
Bolitho stand auf und ging durch den Raum, berührte dabei vertraute Dinge, ohne es zu spüren.
Sein Vater fuhr fort: »Auf der Trojan, einem Linienschiff mit achtzig Kanonen. Wenn sie das Schiff in Dienst stellen, muß Krieg vor der Tür stehen.«
»Sicherlich.«
Keine schlanke Fregatte, sondern ein dickes Linienschiff. Eine neue Welt, die zu erkunden und zu meistern war. Vielleicht war es ganz gut so. Etwas, das ihn ausfüllte, ihn in Bewegung hielt, bis er alles verarbeitet hatte, was geschehen war.
»Nun sollten wir ein Glas zusammen trinken, Richard. Klingle nach dem Mädchen. Du mußt mir alles berichten. Vom Schiff, von den Menschen, alles. Das ist das einzige, was ich noch habe: Erinnerungen.«
Bolitho sagte: »Gut, Vater. Es ist ein Jahr her, daß ich nach Plymouth auf die Destiny unter Kapitän Dumaresq kam…«
Als das Hausmädchen mit Gläsern und Wein aus dem Keller kam, sah sie den grauköpfigen Captain James seinem jüngsten Sohn gegenübersitzen. Sie sprachen über Schiffe und ferne Länder und ließen sich weder Kummer noch Verzweiflung anmerken.
Aber sie wußte es nicht besser. Es war eben alles nur eine Frage der Haltung.
Ende
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