Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
deuteten auf eine Schlechtwetterfront hin. An der Flanke des durch Gravitationsbomben der Graken teilweise kollabierten zentralen Gletschers ragte der schwarze Berg eines Molochs auf, Panzer, Raumschiff und Hülle eines von insgesamt einundsiebzig Graken, die sich vor Dominiques Geburt auf Millennia niedergelassen und all jene psychisch versklavt hatten, die nicht rechtzeitig geflohen waren. Seit mehr als zwei Jahrzehnten versuchten Spezialisten der Allianzen Freier Welten, seine Geheimnisse zu enträtseln.
»Hörst du mich?«, fragte der Gouverneur.
Dominique sah diesen Mann nicht zum ersten Mal. Ihre Erinnerungen an ihn reichten bis in die Kindheit zurück, bis zur Zeit im Hydra-Lazarett. Sie zwang sich, ihn anzusehen.
»Ja, ich höre Sie.«
Joras Ebanar, Militärgouverneur von Millennia und vor dreiundzwanzig Jahren Lanze im Hydra-Lazarett, seufzte tief.
»Warum?«, fragte er.
»Warum was?«
»Warum dies alles?« Der schlanke, hoch gewachsene Ebanar stand auf und trat hinter der unsichtbaren Barriere eines entropischen Gefälles hervor – es trennte zwei Energieniveaus mit unterschiedlicher energetischer Organisationsdichte voneinander, ein unüberwindliches Hindernis für die Kräfte des Tal-Telas. Dass er Dominique gegenüber auf Schutz verzichtete, war eine Geste, die Vertrauen signalisieren sollte. Die junge Frau reagierte nicht darauf. Kopfschmerzen erinnerten sie viel zu deutlich an die Synapsenblockierung.
»Warum machst du uns immer wieder Schwierigkeiten, Dominique?«, fragte Joras, kam um den Schreibtisch herum und blieb vor ihr stehen. »Ich habe mit deiner Mutter darüber gesprochen. Sie versteht es ebenfalls nicht.«
»Meine Mutter versteht viele Dinge nicht.«
Joras Ebanar sah sie einige Sekunden lang stumm an, trat dann zum Fenster und sah nach draußen. Die Schlechtwetterfront war ein wenig näher gekommen, und ihre Dunkelheit schien mit der Schwärze des Molochs zu verschmelzen. Wie immer hielt Joras den Oberkörper ein wenig nach vorn geneigt. Während der letzten Jahre war sein Haar schütter geworden, obwohl er mit gut siebzig Standardjahren erst am Beginn der Reife stand.
»Wir versuchen, Ruhe auf dieser Welt einkehren zu lassen«, sagte Joras langsam. »Millennia hat sehr gelitten, und die Wunden dieser Welt heilen nur langsam. Leider gibt es einige Tal-Telassi, die sie nicht heilen lassen wollen.« Er seufzte erneut, und diesmal klang es fast müde. »Die Orthodoxen nutzen jede Gelegenheit für Propaganda gegen die Streitkräfte der AFW und unsere Präsenz auf dem Planeten. Sie …«
»Das Militär der Allianzen gehört nicht hierher«, unterbrach Dominique den Gouverneur. » Sie gehören nicht hierher. Dies war und ist die Welt der Tal-Telassi. Die Schwestern sind immer autonom gewesen. Sie beugen sich niemandem.«
»Millennia hat den Status eines autonomen Staates mit Vetorecht im Zentralrat der AFW verloren. So entschied eine überwältigende Mehrheit des Rates vor mehr als zwanzig Jahren, als die Rolle der Tal-Telassi in Hinsicht auf den Beginn des Grakenkriegs klar wurde. Ich brauche dir sicher nicht zu erklären, was es mit der Zeit der Schande auf sich hat.«
Neuer Ärger zitterte in Dominique. »Okomm steckt dahinter! Das dürfte inzwischen allgemein bekannt sein. Der Rat spielt keine Rolle mehr. Das Oberkommando – Hegemon Tubond – entscheidet, und er hat damals entschieden, den Orden unter seine Kontrolle zu bringen. Seitdem sind die Tal-Telassi zu Befehlsempfängern degradiert, zu …«
Joras drehte sich um. »Zu Sklaven, Dominique? Glaubst du das wirklich?«
»Wir haben unsere Freiheit verloren!«
»Du zählst dich dazu, nicht wahr? Zu den Orthodoxen, meine ich.«
Dominique hob stolz ihre Hände. Die violetten Verfärbungen beschränkten sich nicht nur auf die Fingerkuppen. Große Flecken hatten sich an den Innenflächen der Hände und an den Armen gebildet, und von ihnen gingen Linienmuster aus, erstreckten sich über den Rest des Körpers. »Ich bin eine zukünftige Großmeisterin.«
»Du hast dich schon vor Jahren von der orthodoxen Propaganda anstecken lassen und bist inzwischen zu einem Sprachrohr für sie geworden.« Joras Ebanar wandte sich vom Fenster ab und näherte sich der jungen Frau vor seinem Schreibtisch. »Ich frage dich erneut: warum? Ist es eine persönliche Sache? Liegt es vielleicht am gestörten Verhältnis zu deiner Mutter? Oder an der Freundschaft, die mich mit ihr verbindet?«
Das viel zu vertraulich klingende Du ärgerte Dominique
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