Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
noch mehr. »Mehr als Freundschaft können Sie nicht von ihr erwarten, Gouverneur Ebanar«, sagte sie und betonte den Titel. »So sehr Sie sich auch bemühen. Loa vergöttert ihren Dominik. Selbst als Toter füllt er ihre ganze Welt aus.«
Für einen Moment wirkte Joras betroffen, doch der neutrale Gesichtsausdruck kehrte sofort zurück. Mit langsamen Schritten trat er hinter den Schreibtisch und die Barriere. Dominique hatte zuvor in Delm das wortlose Flüstern seiner Gedanken gehört, auch ohne direkt auf die vierte Stufe zuzugreifen, aber jetzt verstummte dieses Flüstern. Der Gouverneur deutete auf die Anzeigen eines mobilen Datenservos.
»Siebenundzwanzig Verstöße gegen das Konkordat allein während der letzten vier Monate«, sagte er. »Zwölf Illegalitätsalarme, der letzte beim Kantaki-Schiff.«
Dominique schwieg.
»Du hast dich zu einer Aufrührerin entwickelt. Bisher habe ich immer wieder ein Auge zugedrückt, aber so kann es nicht weitergehen. Es gibt Regeln, an die sich alle zu halten haben, auch du.«
»Es sind die Regeln von Besatzern!«
»Du bist intelligent. Dummheit ist also keine Erklärung für diesen Unfug.« Joras Ebanar sah von dem Datenservo auf, und zum ersten Mal zeigte sein Gesicht Härte und Strenge. »Von jetzt an wirst du die Richtlinien beachten, Dominique. Ein weiterer Verstoß …«
»Ja?«, fragte sie in einem herausfordernden Tonfall. »Was dann?«
»Ein weiterer Verstoß, und mir bleibt nichts anderes übrig, als edukative Maßnahmen anzuordnen.«
»Wollen Sie mich in ein Umerziehungslager schicken, Gouverneur Ebanar? Erhoffen Sie sich mehr Erfolg bei meiner Mutter, wenn Sie mich aus dem Weg schaffen?«
Joras schüttelte den Kopf. »Junge Dame, du musst begreifen, dass sich in diesem Universum nicht alles um dich dreht. Du …«
»Ich bekomme in Kürze den Status einer Meisterin, Gouverneur Ebanar. Dann heiße ich offiziell Dominique 1. Sie sollten sich schon jetzt daran gewöhnen, mich zu siezen. Haben Sie mir noch etwas zu sagen, oder darf ich gehen?«
Joras hielt den Blick auf sie gerichtet, und für ein oder zwei Sekunden wirkte er sehr traurig. »Wie Sie wollen, Dominique«, sagte er dann. »Ich gebe eine offizielle Verwarnung zu Protokoll, die letzte vor einer Strafmaßnahme. Und ja, Sie können gehen.«
Dominique drehte sich abrupt um und verließ das Büro des Militärgouverneurs von Millennia.
Eine Transportkapsel brachte Dominique unter den Eisschild und in eine wieder aufgebaute Stadt. Empirion war nicht so groß wie vor dem Angriff der Graken, und den Gebäuden aus Synthomasse, Polymeren und Ultrastahl lag vor allem Zweckdienlichkeit zugrunde, aber die junge Frau glaubte, etwas von der alten Größe zu spüren, als sie die Kapsel verließ, auf eine kleine Levitatorplattform sprang und sie in einen für Tal-Telassi reservierten Flugkorridor steuerte. Aber vielleicht lag es gar nicht an der Stadt, sondern an dem Stimmungswandel in der Schwesternschaft. Nach mehr als zwanzig Jahren sehnten sich die Angehörigen des Ordens nach Selbstbestimmung und Autonomie, nach neuer Freiheit. Die sogenannten Insurgenten und Innovatoren, einst Triebkraft der Veränderung, waren inzwischen zu Konservativen geworden, dazu bestrebt, den Status quo zu erhalten – sie verloren immer mehr Anhänger. Die Orthodoxen unter der Führung von Zara 20 hatten zuvor an den alten Traditionen festgehalten, wurden jetzt aber zu Rebellen und gewannen an Einfluss. Viele Schwestern glaubten inzwischen, dass es ein Fehler gewesen war, das Meta zu öffnen, die beiden Kräfte des Tal-Telas zu vereinen und damit die Wahrheit über die Zeit der Schande allgemein bekannt werden zu lassen.
»Auch das verdanken wir dir, Ahelia«, murmelte Dominique, als sie den Zirkel erreichte, einst allein den Tal-Telassi vorbehalten, jetzt für alle zugänglich. An dem abgesperrten Bereich, der eine fast fünfzig Meter dicke und teilweise geöffnete Molochwurzel umgab, landete sie, überließ die Leviplattform der Obhut eines Verkehrstrons und setzte den Weg zu ihrer Wohnung zu Fuß fort, so tief in Gedanken versunken, dass sie nicht einmal die patrouillierenden AFW-Soldaten bemerkte.
Vor dem Eingang des Gebäudes, in dem sie zusammen mit anderen Studentinnen der Tal-Telassi wohnte, stand ein großer Levitatorwagen mit dem Emblem der Ehernen Garde von Millennia, inzwischen den Streitkräften der AFW unterstellt. Für eine Sekunde befürchtete Dominique, dass sie zu weit gegangen war, dass Joras Ebanar es
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