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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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gewesen, daß sie uns früher oder später alle umgebracht hätten.
    Während unserer Beratung fuhr einer unserer Leute, der Messerschmied oder Metallarbeiter gewesen war, plötzlich auf und fragte den Zimmermann, ob er ihm unter all seinem Werkzeug nicht zu einer Feile verhelfen könne. „Ja“, sagte der Zimmermann, „das kann ich, aber es ist nur eine kleine.“ – „Je kleiner, um so besser“, erwiderte der andere. Daraufhin begab er sich ans Werk, erhitzte zuerst ein Stück von einem alten, abgebrochenen Meißel im Feuer und stellte sich dann mit Hilfe seiner Feile mehrere Arten von Werkzeug für seine Arbeit her.

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    Dann nahm er drei oder vier Pesomünzen und schlug sie mit dem Hammer auf einem Stein aus, bis sie ganz breit und flach waren; danach schnitt er sie zur Form von Vögeln und Tieren zurecht, machte daraus kleine Ketten für Armbänder und Halsschmuck und verwandte sie zu so vielen Dingen seiner Phantasie, daß man sie kaum beschreiben kann.
    Nachdem er seinen Kopf und seine Hände etwa vierzehn Tage lang angestrengt hatte, erprobten wir die Wirkung seiner Erfindungsgabe und waren bei einem neuen Zusammentreffen mit den Eingeborenen über die Torheit der armen Menschen überrascht. Für ein Stückchen Silber, das zur Form eines Vogels zugeschnitten war, erhielten wir zwei Kühe, und wenn es Messing gewesen wäre, und das war unser Pech, dann hätte es noch mehr Wert gehabt. Für eins der Kettenarmbänder gaben sie uns so viele Vorräte der verschiedensten Art, daß sie in England fünfzehn oder sechzehn Pfund gekostet hätten, und ebenso für die übrigen Dinge. So hatte das, was in der Form einer Münze für uns keine sechs Pennies wert gewesen war, nachdem es zu Spielzeug und Tand umgearbeitet war, das Hundertfache seines eigentlichen Werts, und wir konnten damit alles kaufen, was wir brauchten.
    Unter diesen Umständen lebten wir über ein Jahr, aber wir begannen alle dessen sehr müde zu werden und beschlossen, was auch daraus würde, den Versuch zu wagen, von hier zu entkommen.
    Wir hatten uns mit nicht weniger als drei sehr guten Kanus ausgerüstet, und da die Monsun- oder Passatwinde fast das gesamte Land berühren und in den meisten Teilen der Insel sechs Monate des Jahres in einer Richtung und die übrigen sechs in der anderen wehen, schlossen wir, daß wir in der Lage wären, die Seefahrt ganz gut zu überstehen. Immer aber, wenn wir eingehender darüber nachdachten, brachte uns der Mangel an Trinkwasser davon ab, ein solches Abenteuer zu unterne h-39
    men, denn die Entfernung ist sehr groß, und kein Mensch auf Erden hätte sie ohne Trinkwasser bewältigen können.
    Nachdem uns also unsere eigene Vernunft dazu gebracht hatte, den Gedanken an diese Fahrt fallenzulassen, sahen wir zwei Möglichkeiten vor uns. Die eine war, zur anderen Seite, nämlich nach Westen, in See zu stechen und Kurs auf das Kap der Guten Hoffnung zu nehmen, wo wir früher oder später auf Schiffe aus unserer Heimat träfen oder aber das afrikanische Festland ansteuern und dann entweder über Land reisen oder aber längs der Küste zum Roten Meer segeln konnten. Dort fänden wir mit Gewißheit bald ein Schiff irgendeiner Nationalität, das uns aufnähme, oder vielleicht könnten wir es kapern, was, nebenbei gesagt, der Gedanke war, der mir ständig im Kopf umging.
    Unser erfinderischer Messerschmied, den wir von da ab nur noch den Silberschmied nannten, schlug dies vor, aber der Geschützmeister erklärte ihm, er sei auf einer Schaluppe aus Malabar im Roten Meer gefahren und wisse: wenn wir uns ins Rote Meer wagten, würden uns entweder die wilden Araber töten oder aber die Türken fangen und uns zu Sklaven machen; deshalb sei er nicht dafür, daß wir diesen Weg wählten.
    Hierauf sah ich mich veranlaßt, wieder meine Meinung zu äußern. „Warum sprechen wir davon, daß uns die Araber töten oder die Türken zu Sklaven machen werden?“ sagte ich. „Sind wir nicht fähig, so ziemlich jedes Fahrzeug zu entern, dem wir auf diesem Meer begegnen und, anstatt daß sie uns zu Gefa ngenen machen, sie gefangenzunehmen?“ – „Gut gesprochen, Pirat“, sagte der Geschützmeister (derjenige, der mir in die Hand geschaut und mir vorausgesagt hatte, ich würde am Galgen enden). „Das will ich ihm zugute halten – er sieht die Sache immer auf die gleiche Weise an. Ich glaube aber, bei meinem Gewissen, daß dies jetzt unser einziger Ausweg ist.“ –
    „Sag nicht zu mir, ich sei ein Pirat, wir müssen ja Piraten

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